Verschiebung der Besoldungserhöhung – warum kein Gehaltsverzicht für Abgeordnete?
Sehr geehrter Herr Hering,
die Entscheidung, die Besoldungserhöhung um vier Monate zu verschieben, ist mehr als nur eine Sparmaßnahme – sie schafft Unsicherheit. Wenn beschlossene Erhöhungen nachträglich verzögert werden, muss man künftig damit rechnen, dass je nach Haushaltslage weitere Einschnitte folgen. Gleichzeitig wird über Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst geklagt – doch solche Maßnahmen senken die Attraktivität des Berufs erheblich.
Während bei Beamten gespart wird, werden die Diäten der Abgeordneten pünktlich erhöht. Solche Entscheidungen verstärken den Eindruck, dass politische Entscheidungsträger wenig Bezug zur Realität der Beschäftigten haben. Wäre es nicht ein Zeichen der Solidarität, wenn auch Abgeordnete auf vier Monate ihrer Erhöhung verzichten? Oder gelten hier andere Maßstäbe?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Viele Grüße
Hans W.

Sehr geehrter Herr W.
Vielen Dank für Ihre Frage, wobei ich einerseits die grundsätzliche Kritik an der aktuellen Maßnahme nachvollziehen kann, wie bereits gegenüber vielen Beamten, Verbänden und auch auf Demonstrationen kundgetan.
Andererseits bieten Sie auch die Gelegenheit, Hintergründe zur Entwicklung von Beamtenbesoldung und Abgeordnetendiäten zu beleuchten.
Die Anpassung der Beamtenbesoldung orientiert sich in der Regel an den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes und dem sogenannten Abstandsgebot, das sicherstellt, dass die Besoldung nicht hinter vergleichbaren Berufsgruppen zurückbleibt. Gleichzeitig muss jede Besoldungserhöhung in den Haushaltsgesetzen beschlossen werden und hängt somit von der finanziellen Lage des Landes ab. Die Verschiebung bei der zweiten Erhöhung um vier Monate ist eine Maßnahme, um die Belastung des Haushalts kurzfristig zu steuern, ohne die Erhöhung grundsätzlich infrage zu stellen.
Zur Frage der Abgeordnetendiäten: Diese folgen einem anderen Mechanismus. In Hessen orientiert sich die Anpassung der Diäten am Nominallohnindex, der vom Statistischen Landesamt berechnet wird und die allgemeine Lohnentwicklung in der privaten und öffentlichen Wirtschaft widerspiegelt. Anders als bei der Beamtenbesoldung gibt es hier keinen politischen Ermessensspielraum – die Anpassung erfolgt automatisch.
Kritik an der zur Rede stehenden Verschiebung vollziehe ich nach und sehe darin einen schmerzlichen Prozess, den wir vielfach diskutiert haben. Wie beschrieben, soll damit die Belastung des Haushalts kurzfristig gesteuert werden, 180 Millionen Euro, die umgehend der personellen Stützung der Schlüsselbereiche Polizei, Justiz, Bildung zu Gute kommen. Andere Überlegungen und Modelle hätten weit größere Einschnitte zu Folge gehabt.
Was den Verzicht auf vier Monate der Erhöhung von Abgeordnetendiäten betrifft, so käme diesem nicht ansatzweise eine Haushaltssteuerung zu, wie zahlreich denkbare weitere Maßnahmen. Großzügig gerechnet würde das gegenüber den genannten 180 Millionen Euro nicht einmal eine halbe Millionen Euro ausmachen, d. h. weniger als ein halbes Prozent.
Somit könnte es nur Symbolcharakter haben, was per se nicht dagegenspricht. Allerdings scheint mit Blick auf Symbolik und die von Ihnen eingeforderte Solidarität darauf hingewiesen, dass offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wurde, dass dies in den letzten zehn Jahren mehrfach von Seiten der Abgeordneten so praktiziert wurde. Gegenüber einer Nullrunde bei der Beamtenbesoldung stehen drei Nullrunden bei den Abgeordnetendiäten in den Jahren 2015, 2020 und 2021.
Der Blick auf größere Zeiträume spricht hier eine noch deutlichere Sprache und macht beispielhaft deutlich, dass die Abgeordnetendiäten im Vergleich zur allgemeinen Lohnentwicklung oder vergleichbaren Besoldungsgruppen deutlich weniger stark angestiegen sind: In den vergangenen Jahren hat sich die Abgeordnetendiät um ca. 44% erhöht, die Beamtenbesoldung um 63,5%. Erweitert auf 35 Jahre ist eine Erhöhung der Abgeordnetendiät um 79% gegenüber 157% bei der Beamtenbesoldung festzustellen. Entsprechende Rechenmodelle bzw. Tabellen sind öffentlich zugänglich.
Bisher habe ich vermieden, derartige Rechnungen aufzumachen, da es mir nicht um meine Abgeordnetendiäten ging, sondern tatsächlich um die Verunsicherungen und das Opfer, das unsere Beamten bringen. Außerdem will ich keinesfalls das Bild stellen, Klage über Abgeordnetendiäten zu führen oder irgendwelche Beschwerden zu äußern.
Wenn allerdings Solidarität gefordert wird und von Ihnen abschließend die Frage nach anderen Maßstäben gestellt wird, so erkenne ich in Gesamtschau der eben beschriebenen Entwicklung vielfache Zeichen der Solidarität. Gleiches stelle ich Ihrer Frage nach anderen Maßstäbe entgegen, wo gerade im umgekehrten Sinne die Maßstäbe bei Diätenentwicklung deutlich hinter denen der Beamtenbesoldung hinterherhinken.
Dies aufgrund Ihrer expliziten Ansprache und Vorhaltung. Keinesfalls ändert das meine Haltung zum öffentlichen Dienst und der Leistung unserer Beamtinnen und Beamten, deren Herausforderungen mir als langjährigem Polizeibeamten und gut vernetztem Abgeordneten über Polizeikreise hinaus vor Augen stehen.
Herzliche Grüße