Thomas Heilmann lächelt in Nahaufnahme, der Hintergrund ist verschwommen.
Thomas Heilmann
CDU
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Frage von Susanne W. •

Frage an Thomas Heilmann von Susanne W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Heute hat mich etwas empört. Zu Innenminister Seehofers Plan, 25% der Bootsflüchtlinge nach Deutschland zu holen:

Heute lese ich in der FAZ v. 20.9.2019: „Frankreich will im Rahmen einer Quotenlösung für Flüchtlinge nur solche von Italien übernehmen, die Aussicht auf Asyl haben. Also keine Wirtschaftsflüchtlinge wie Tunesier, die derzeit größte Gruppe der Bootsflüchtlinge“. D.h. Frankreich lehnt die Aufnahme von Tunesiern von vorneherein ab.
Innenminister Seehofer will nun plötzlich pauschal 25% der Bootsflüchtlinge aufnehmen, d.h. es kommen dann möglicherweise Tunesier nach Deutschland, wo erst hier ihr Antrag auf Asyl bzw. Flüchtlingsstaus geprüft wird. Die Anerkennungsquote ist nur 3%!
https://www.handelsblatt.com/politik/international/migration-anreize-statt-zwang-wie-deutschland-tunesier-zur-freiwilligen-rueckkehr-bewegen-will/22777814.html?ticket=ST-10555860-7VTNUi9UZU6nKTIbvNVV-ap3

Die dann nicht als Flüchtlinge oder Asylanten anerkannt werden – die absolute Mehrzahl - müssten dann Deutschland wieder verlassen, werden wohl die wenigsten, denn sie wissen: Abschiebung ist teuer und erfolglos.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/migration-abschiebungen-gescheitert

Frage an Sie: Was macht es für einen Sinn, Bootsflüchtlinge nach Deutschland zu holen, ohne vorher zu prüfen, ob sie überhaupt bleiben dürfen? Was ist mit den hohen Kosten für Abschiebung oder freiwillige Anreize, s. Artikel oben?

Werden hier nicht neue Fluchtwege für illegale Migration geöffnet?

Weiterer offener Punkt: Und was ist mit Leuten, egal aus welchem Land, die ohne Papiere ankommen, was eine Abschiebung fast unmöglich macht, da das Herkunftsland unklar ist, was natürlich viele Flüchtlinge wissen?

Thomas Heilmann lächelt in Nahaufnahme, der Hintergrund ist verschwommen.
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau W.,

vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie sich mit der Vereinbarung von Malta zur Verteilung von Bootsflüchtlingen auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang mit der Aussage des Bundesinnenministers, jeden vierten geretteten Flüchtling in Deutschland aufnehmen zu wollen.
Hintergrund der Vereinbarung von Malta zwischen Frankreich, Italien, Malta und Deutschland ist die Migrationsherausforderung, die auf absehbare Zeit groß bleiben wird. Aus meiner Sicht gibt die Initiative von Horst Seehofer einen wichtigen Anlass zu notwendigen Verhandlungen über ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Aktuell müssen Flüchtlinge mitunter wochenlang an Bord ziviler Rettungsschiffe im Mittelmeer verbringen, da die betroffenen Anlande-Staaten erst nach einer Zusage zur Umverteilung der Geflüchteten auf andere EU-Mitgliedstaaten bereit sind, ihre Häfen zu öffnen. In diesen Fällen musste zuletzt für jeden Einzelfall geklärt werden, welche Länder zur Aufnahme bereit sind. Dieses Vorgehen ist nicht zielführend. Erforderlich ist vielmehr ein System zur gerechten Verteilung, das von möglichst vielen Mitgliedstaaten getragen wird. Denn Menschen in Seenot müssen gerettet werden, das gebietet das Seerecht als Ausprägung des Prinzips der humanitären Notrettung.
Die Vereinbarung von Malta enthält klare Vorgaben über das Verfahren und einzuhaltende Fristen. Sie trifft jedoch keine Festlegung über verbindliche Quoten. Die betroffenen Anlande-Staaten sollen die Flüchtlinge registrieren und einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Anschließend erfolgt in den Aufnahmeländern die Einleitung des Asylverfahrens. In diesem Zusammenhang kritisieren Sie die Durchführung des Verfahrens erst im Aufnahmeland. Sinn der Vereinbarung ist es aber gerade, die Anlande-Staaten zu entlasten und Ihnen diese Durchführung abzunehmen. Zudem hat Deutschland bereits in den vergangenen 15 Monaten Bootsflüchtlinge aufgenommen. Seit Juli 2018 sind ca. 2199 Menschen durch zivile Seenotrettung gerettet worden. In diesem Zeitraum sind insgesamt 225 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Im Falle eines unverhältnismäßigen Anstiegs der Zahlen der Bootsflüchtlinge kann die Vereinbarung jederzeit einseitig gekündigt werden.
Durch diese Übergangslösung dürfen auf keinen Fall weitere Anreize für Schlepper geschaffen werden, in diesem Punkt stimme ich Ihnen zu. Aus diesem Grund möchte der Innenminister auf einer separaten Konferenz weitere Schritte beraten, um das Schleuserwesen zu bekämpfen und gleichzeitig die polizeiliche Zusammenarbeit und den Küstenschutz weiter auszubauen.
Dieses Notfallsystem darf aus meiner Sicht nicht zur Dauerlösung werden. Vielmehr muss es als Anlass dienen, eine gemeinsame Reform des europäischen Asylrechts zur erreichen. Wenn wir die Länder an den Außengrenzen der EU nicht unterstützen, werden wir nie eine gemeinsame Asylpolitik erreichen können. Hierbei müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können nicht zunächst auf eine Einigung aller Mitgliedstaaten warten, dann werden wir für die kommenden Jahre keine gemeinsame Lösung erzielen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Heilmann

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