Frage an Thomas Hacker von Mario S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,
ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zu den Jamaika-Sondierungen 2017. Um möglichst viele Eindrücke, Hintergründe und Ideen zu sammeln, habe ich mich entschlossen, Sie als gewählte/r Abgeordnete/r anzuschreiben. Dabei interessiert mich vor allem Ihre Meinung zu den gescheiterten Verhandlungen. Was könnte der Grund für das Scheitern sein? Welche Folgen machen Sie an dem Scheitern fest? Wie haben Sie die Verhandlungen und das Ergebnis verfolgt?
Welche Motivation gibt/gäbe es für Ihre Partei, in eine Regierung einzutreten und wie können Parteien wieder stärker die Gunst des Wählers erlangen? Welchen und wie viel Einfluss haben politische Parteien in Deutschland in der heutigen Zeit, auch im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern?
Abschließend würde mich noch interessieren, ob und inwiefern unser politisches (Wahl-)System in Zusammenhang mit der Thematik steht und wie es reformiert werden könnte.
Über Ihr Mitwirken würde ich mich sehr freuen. Falls Sie weitere Informationen (Links, Berichte etc.), wäre ich Ihnen sehr dankbar. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
M. S.
Sehr geehrter Herr Schmitz,
zunächst danke ich Ihnen für Ihre Frage und entschuldigen Sie bitte die lange Wartezeit. Gerne möchte ich zu Ihren Fragen Stellung beziehen, wenngleich meine Antworten vermutlich keine Relevanz mehr für Ihre Bachelor-Arbeit haben werden.
Die Jamaika-Sondierungen waren nach Absage der SPD an eine Fortführung der Großen Koalition die einzig realistische Regierungsoption. Auch wenn eine Jamaika-Koalition auf Landeseben (z.B. Schleswig-Holstein) erfolgreich regiert, so waren und sind gerade zwischen den Grünen und der FDP in bundespolitischen Fragen große Differenzen gegeben. Als Freie Demokraten haben wir diesem Experiment viel Zeit gegeben, sind Kompromisse eingegangen und haben versucht, eine Regierungsgrundlage herzustellen. Leider hat sich mit zunehmender Zeit angedeutet, dass eine solche Grundlage zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht besteht. Im Zwiespalt zwischen staatspolitischer Verantwortung und politischer Glaubwürdigkeit haben wir uns gemeinsam als Fraktion dafür entschieden, unseren Grundüberzeugungen treu zu bleiben und keine Koalitionsverhandlungen zu bestreiten, in denen wir unsere liberale Handschrift nicht sichtbar machen werden können.
Bis heute werden wir Freie Demokraten von Bürgerinnen und Bürger auf das Thema „Jamaika“ angesprochen. Auch wenn unsere Entscheidung vereinzelt auch bei eigenen unserer Wähler auf Unverständnis gestoßen ist, halte ich sie nach wie vor für richtig. Klar ist aber auch, dass wir – entsprechende Mehrheiten vorausgesetzt – auch „Jamaika“ im nächsten Bundestag eine neue Chance geben müssen, um stabile Mehrheitsverhältnisse herbeizuführen. Ich bin überzeugt, dass wir trotz aller Unterschiedlichkeiten der Parteien zu Kompromissen finden können, zumal die Verhandlungen unter neuen Personen geführt würden. Als FDP zeigen wir auch in der Opposition unseren Gestaltungswillen und werden auch in Zukunft Verantwortung übernehmen, um liberale Politik in Deutschland umzusetzen. Mit zukunftsorientierten Inhalten und Glaubwürdigkeit werden wir auch weiterhin Wählerinnen und Wähler von der FDP überzeugen.
Die politischen Parteien kanalisieren die politischen Strömungen in der Gesellschaft und verleihen den individuellen Meinungen eine präsente Stimme. In seinen Grundzügen funktioniert dieses System sehr gut, wenngleich es zweifelsohne Anpassungen bedarf (z.B. Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages, die wir als FDP bereits viele Jahre fordern).
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantworten konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hacker MdB