Frage an Thomas Gebhart von Peter E. bezüglich Gesundheit
Hallo Herr Gebahrt,
Vor längerer Zeit hat die CDU einen Oppositionsantrag (18/1613) zur Überprüfung der beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts abgelehnt. Auch der Ausschuss für Gesundheit hat die Ablehnung empfohlen. Im Antrag waren keine Gesetzesänderungen enthalten. Es ging um eine reine Evaluation.
1. Was waren die genauen Gründe für die Ablehnung bzw. die Empfehlung dazu?
2. Wie sicher sind Sie (bzw. die Regierung) sich, dass sich die aktuelle Cannabispolitik im Großen und Ganzen besser auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt, als ein regulierter und kontrollierter Markt für Erwachsene mit Verbraucher- und Jugendschutz (plus dem restlichen Schwarzmarkt, der vermutlich nicht komplett verdrängt werden kann)? Bitte mit Begründung. (Sie müssten sich sehr sicher sein, wenn Sie weitere Untersuchungen für nicht nötig halten.)
3. Um sich überhaupt erst relativ sicher sein zu können, müssten Ihnen auch Daten zur Beantwortung folgender Fragen vorliegen. Wie viel Prozent der von der Polizei sichergestellten "geringen Mengen" Cannabis sind mit Streckmittel versehen? (Sie können "geringe Mengen" gerne genauer definieren, es sollten nur Mengen sein, bei denen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit Handel vorliegt, da diese vermutlich oft noch gestreckt werden, bevor Sie beim Konsumenten ankommen.)
4. Welche Streckmittel sind am meisten vertreten und mit welcher Häufigkeit? Was sind die (vermutlich) gefährlichsten Streckmittel und mit welcher Häufigkeit sind diese jeweils vertreten?
Sollten sie keine zufriedenstellende Antwort auf Frage 3 und 4 haben überdenken Sie Ihre Antwort auf Frage 2 bitte und korrigieren Sie diese gegebenenfalls. Und dann teilen Sie mir bitte mit, ob eine Zustimmung des Oppositionsantrags nicht doch angemessen gewesen wäre. Vielen Dank.
P. E.
Sehr geehrter Herr E.,
zu Ihren Fragen nehme ich gern wie folgt Stellung. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklungen im Bereich des Betäubungsmittelrechts fortlaufend sorgfältig und prüft unter Einbeziehung der Fachkreise den erforderlichen gesetzlichen Änderungsbedarf.
Die Bundesregierung hält aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung eine Legalisierung der Verwendung von Cannabis zu Rauschzwecken für nicht vertretbar.
Zum Schutz der Gesundheit der Menschen beschränkt das Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe die Verwendung von Suchtstoffen auf ausschließlich medizinische und wissenschaftliche Zwecke und verbietet u.a. den Anbau, den Handel, den Erwerb und den Besitz von Cannabis zu Rauschzwecken. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Übereinkommen ratifiziert und ist an die darin enthaltenen völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden.
Die Bundesregierung teilt die Einschätzung, dass eine Legalisierung von Cannabis zu Rauschzwecken zu einer Zunahme der Konsumentenzahlen und des medizinischen Behandlungsbedarfs führen würde. Im Falle einer staatlichen Festlegung, dass es sich um eine legale Substanz handelt, und dem damit gegebenen Signal an die Öffentlichkeit, würden gerade in einem Land mit hohem Gesundheits- und Verbraucherschutzniveau wie Deutschland die gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums verharmlost und die öffentliche Wahrnehmung, insbesondere auch von Kindern und Jugendlichen, entsprechend beeinflusst und geprägt. Präventive Bemühungen im Suchtbereich würden damit konterkariert.
Die Gesundheitsgefahren des Cannabismissbrauchs sind medizinisch erwiesen. Auch neuere Studien haben Cannabis als nicht unbedenklich bewertet. Hingewiesen wird auf eine Reihe akuter und langfristiger Risiken des missbräuchlichen Cannabiskonsums. Danach kann Dauerkonsum zu ernsthaften körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen führen. Die kürzlich veröffentlichte Studie „Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse (CaPRis)", die den aktuellen Forschungsstand zum Thema Cannabis zusammenfasst, bestätigt erneut die Risiken des Cannabiskonsums zu Rauschzwecken. Die Studie zeigt ein detailreiches Bild unterschiedlich ausgeprägter Risiken für akuten und chronischen Cannabis-Konsum im Bereich der Somatik, Kognition, Abhängigkeitsentwicklung, psychischer Störungen (Angststörungen, Depressionen und Suizidalität, bipolare Störungen, Psychosen) sowie der sozialen Folgen (z.B. Bildungschancen, Fahrtüchtigkeit) auf. Besondere Risiken liegen im frühen Konsumbeginn in der Adoleszenz, in intensiven Gebrauchsmustern sowie im Co-Konsum von Tabak. Zusammenfassend belegen die evidenzbasierten Fakten ein erhöhtes Risiko für negative psychische, organische und soziale Konsequenzen im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Cannabis zu Rauschzwecken. Eine nicht geringe Zahl von Personen sucht wegen eines problematischen Gebrauchs von Cannabis die ambulanten und stationären Einrichtungen des Suchthilfesystems in Deutschland auf.
Die bestehenden Verbotsregelungen des Betäubungsmittelrechts sind in die von der Bundesregierung verfolgte ausgewogene Drogenpolitik eingebettet, die auf Prävention, Beratung und Behandlung, Hilfen zum Ausstieg, Maßnahmen zur Schadensreduzierung sowie Bekämpfung der Drogenkriminalität basiert. Für die generalpräventive Wirkung der Strafandrohungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) spricht der hohe Anteil von Personen, die niemals illegale Drogen konsumieren. Auch bei der Aufnahme neuer psychoaktiver Stoffe in die Anlagen zum BtMG hat sich gezeigt, dass die Verbreitung und Verfügbarkeit der jeweiligen Stoffe in Folge der Unterstellung unter das BtMG zurückging. Alle Elemente dieses ganzheitlichen Ansatzes dienen gemeinsam dem Ziel, den Konsum illegaler Drogen auf ein möglichst niedriges Niveau zu reduzieren. Beim Erwerb oder Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch bestehen strafprozessuale Möglichkeiten, von der Strafverfolgung abzusehen, von denen die Staatsanwaltschaften in der Praxis Gebrauch machen.
Zu Ihrem Anliegen möchte ich Sie ergänzend auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion der FDP „Kontrollierte Abgabe von Cannabis" und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Auswirkungen der Cannabisprohibition auf den Gesundheits-schutz" hinweisen (Bundestagsdrucksachen 19/310 und 19/853). Wichtige gesundheitspolitische und fachliche Argumente, die gegen eine Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken sprechen, finden sich auch in den aktuellen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 27. Juni 2018 (siehe Stellungnahmen der Bundesärztekammer und von Prof. Dr. Thomasius, Ausschussdrucksachen 19(14)0020(1) und 19(14)0020(5)).
Zu dem angesprochenen Antrag der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen" (Bundestagsdrucksache 18/1613) aus dem Jahr 2014 weise ich ergänzend auf die Antwort der Bundesregierung auf die entsprechende Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts" (Bundestagsdrucksache 18/2937) hin.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Gebhart