Frage an Thomas Flierl von Andree H. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Dr. Flierl,
mit besonderem Interesse verfolgte ich in der jüngsten Vergangenheit Ihren öffentlichen Auftritt vor der Gedenkstätte des ehemaligen STASI-Gefängnisses Hohen-Schönhausen. Sie stellten sich je nach Ansichtssache schützend vor den pöbelnden STASI-Aufsehern, die die Gedenkstätte als Horrorkabinett und Geschichtsfälscherei bezeichneten. Des Weiteren bezeichneten Sie die werten Herren als Zeitzeugen und möchten einen Dialog mit den Opfern fördern....
Nun meine Fragen:
Halten Sie es für angebracht und tolerierbar als politisch Verantwortlicher einer besonderen geschichtsträchtigen Stadt wie Berlin die Täter dieser mörderischen Verbrechen zu bagatellisieren und Ihre enorme Schuld zu vertuschen? Erkennen Sie die Taten in der ehemaligen DDR als Verbrechen an? Wenn ja, warum bekennen Sie dies nicht offziell und stellen sich auf die Seite der Opfer, anstatt die Täter in Schutz zu nehmen?
Fühlen Sie sich in Anbetracht dieses Skandals fähig, nochmals ein Amt in einem möglichen Senat zu übernehmen?
In der Hoffnung auf eine baldige Antwort möchte ich Ihnen noch die Teilnahme an einer Führung in der Gedenkstätte dieser kommunistischen Verbrechen empfehlen,
Mit freundlichen Grüßen
Andree Hübner
Sehr geehrter Herr Hübner,
wenn Sie meine politische Biographie kennen, wissen Sie dass ich nicht zu denen gehöre, die in der DDR begangenes Unrecht bagatellisieren. Protest auch und gerade gegen Politiker der Linkspartei.PDS, die sich wie ich seit Jahren für eine ehrlich, schonungslose und differenzierte Aufarbeitung dieses Teils der DDR-Geschichte - und damit auch der eigenen Vergangenheit - einsetzen, gab und gibt es bereits seit längerer Zeit. So z.B. bei dem von PDS-Bezirkspolitikern und von mir und meiner Verwaltung unterstützten Projekt eines Denkzeichens, das an die Haftanstalt des NKWD und des MfS in der Prenzlauer Allee erinnert. Als wir dieses Denkzeichen im Oktober 2005 im Beisein des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse der Öffentlichkeit übergaben, hielt eine Gruppe Unbelehrbarer uns stumm protestierend Plakate vor die Nase, auf denen die angebliche Gleichsetzung von stalinistischen und faschistischen Verbrechen an diesem Gedenkort angeprangert wurde. Die aggressive Vehemenz, mit der ehemalige Mitarbeiter und Funktionsträger des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit in diesem Jahr ihre revisionistischen Auffassungen auf der von mir angeregten öffentlichen Debatte zur geplanten Markierung des einstigen Stasi-Sperrbezirks in Hohenschönhausen zum Ausdruck brachten, hat nicht nur mich überrascht. Die Form einer moderierten Podiumsdiskussion war wenig geeignet, diesen Positionen offensiv entgegenzutreten. Dennoch war auch die an mich gerichtete Kritik berechtigt, hier nicht entschlossen genug aufgetreten zu sein. Nachträgliche Forderungen nicht anwesender Politiker, die Veranstaltung hätte von mir aufgelöst werden müssen, sind aber ebenso abwegig wie der Verdacht falsch ist, ich würde die Positionen der Stasi-Obristen teilen. Ich bin nicht dafür, diesen Leuten in öffentlichen Veranstaltungen das Wort zu verbieten. Auch für diese Bürger gilt jene grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit, die sie selbst während ihrer aktiven Zeit beim MfS unterdrückt haben. Wir müssen öffentliche, zivile Formen der Auseinandersetzung finden, die kontroverse Debatten ermöglichen und den demokratischen Konsens stärken. Dies muss jedoch ausschließen, dass Opfer verhöhnt oder gedemütigt werden.
Mit besten Grüßen,
Thomas Flierl