Thomas Flierl
DIE LINKE
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Frage von Lukas W. •

Frage an Thomas Flierl von Lukas W. bezüglich Kultur

Guten Tag Herr Dr. Flierl,

bei dem ungeheurlichen Auftritt ehemaliger Mitarbeiter der Stasi in der Gedenkstätte Hohenschönhausen wurden die Opfer auf brutalste Weise verhöhnt.

1. Können Sie mir sagen, wieso Sie sich nicht schützend vor die Gedenkstätte gestellt haben?

2. "Ich bürge nicht dafür, dass Ihre Sicht sich durchsetzt, aber ich meine auch, dass es notwendig sein muss, einen Dialog zu führen." Halten Sie diese Worte für die richtige Reaktion auf das Verhalten der Verbrecher, die das Gefängnis als "Gruselkabinett" bezeichnen?

3. Erkennen Sie die SED und die Stasi als Täter und nicht als Zeitzeugen? Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass es sich bei der DDR um eine Diktatur gehandelt hat? Was halten sie von der DDR und was haben Sie damals für Aufgaben wahrgenommen?

4. Halten Sie die unpersönlichen Tafeln am Checkpoint Charlie für die richtige Art und Weise der Toten zu gedenken oder würden Sie - wie die Opfer - die Kreuze bevorzugen?

5. Haben Sie Stasitäter als Zeitzeugen bezeichnet?
Halten Sie sich unter diesen Umständen für geeignet ein Amt in der Regierung Berlins wahrzunehmen?

Mit freundlichen Grüßen
Lukas Wiesenhütter

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wiesenhütter,

wenn Sie meine politische Biographie kennen, wissen Sie dass ich nicht zu denen gehöre, die in der DDR begangenes Unrecht bagatellisieren. Protest auch und gerade gegen Politiker der Linkspartei.PDS, die sich wie ich seit Jahren für eine ehrlich, schonungslose und differenzierte Aufarbeitung dieses Teils der DDR-Geschichte - und damit auch der eigenen Vergangenheit - einsetzen, gab und gibt es bereits seit längerer Zeit. So z.B. bei dem von PDS-Bezirkspolitikern und von mir und meiner Verwaltung unterstützten Projekt eines Denkzeichens, das an die Haftanstalt des NKWD und des MfS in der Prenzlauer Allee erinnert. Als wir dieses Denkzeichen im Oktober 2005 im Beisein des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse der Öffentlichkeit übergaben, hielt eine Gruppe Unbelehrbarer uns stumm protestierend Plakate vor die Nase, auf denen die angebliche Gleichsetzung von stalinistischen und faschistischen Verbrechen an diesem Gedenkort angeprangert wurde. Die aggressive Vehemenz, mit der ehemalige Mitarbeiter und Funktionsträger des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit in diesem Jahr ihre revisionistischen Auffassungen auf der von mir angeregten öffentlichen Debatte zur geplanten Markierung des einstigen Stasi-Sperrbezirks in Hohenschönhausen zum Ausdruck brachten, hat nicht nur mich überrascht. Die Form einer moderierten Podiumsdiskussion war wenig geeignet, diesen Positionen offensiv entgegenzutreten. Dennoch war auch die an mich gerichtete Kritik berechtigt, hier nicht entschlossen genug aufgetreten zu sein. Nachträgliche Forderungen nicht anwesender Politiker, die Veranstaltung hätte von mir aufgelöst werden müssen, sind aber ebenso abwegig wie der Verdacht falsch ist, ich würde die Positionen der Stasi-Obristen teilen. Ich bin nicht dafür, diesen Leuten in öffentlichen Veranstaltungen das Wort zu verbieten. Auch für diese Bürger gilt jene grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit, die sie selbst während ihrer aktiven Zeit beim MfS unterdrückt haben. Wir müssen öffentliche, zivile Formen der Auseinandersetzung finden, die kontroverse Debatten ermöglichen und den demokratischen Konsens stärken. Dies muss jedoch ausschließen, dass Opfer verhöhnt oder gedemütigt werden.

Mit besten Grüßen,

Thomas Flierl