Frage an Thomas Dyhr von Ursula M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dyhr,
ich habe mit Interesse Ihre Ansichten zu den verschiedensten Themen zur Kenntnis genommen und finde mich fast immer mit meinen eigenen Ansichten bestätigt. So weit - so gut.
Nur habe ich infolge der Entwicklungen der letzten Jahre bezogen auf die Wählbarkeit der Grünen und die Kongruenz der Gesamtpartei und ihrer Kandidaten in Regierungsbeteiligung mit dem Programm da so meine Bedenken, wie das noch zusammen passt.
So finde ich z.B. die Entwicklung in Schleswig-Holstein mit einem Minister Habeck, der sowohl die Ölförderung in Schwedeneck, als auch den Belttunnel befürwortet und genehmigt, als auch in punkto Tierschutz offenbar nur das Jagdrecht kennt (Thema "Heuler", die von Jägern ohne tierärztliche Prüfung erschossen werden).
Das ist leider nur ein - wenn auch besonders zynischer Fall - von Fehlbesetzung. Mehr und mehr entwickelt sich die Partei auf CDU und FDP zu, wenn es um Posten geht.
Wie halten Sie es damit? Sehen Sie Möglichkeiten, auch solche Dinge parteiintern zu thematisieren oder sind Sie eher der Ansicht: Hauptsache dabei sein, was scheren mich meine Sprüche von gestern?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. U. M.
Sehr geehrte Frau Dr. M.,
erst einmal freue ich mich sehr darüber, dass Sie sich in meinen Positionen weitgehend wiederfinden.
Sie sprechen mit Ihrer Frage einen der schwierigsten Bereiche der Politikgestaltung ab - die Durchsetzung dessen, was man als Partei/ ggf. Abgeordneter für richtig hält. Politik ist nun einmal eine Sache von Mehrheiten und die muss man parlamentarisch und vorher auch erst einmal innerparteilich erkämpfen. Und dann ist es wie immer und in jeder Partei - mal gewinnt man und mal verliert man.
Kontroversen über das politische Handeln von Regierungsmitgliedern, Fraktionen oder auch einzelnen Parlamentariern werden in der Tat parteiintern thematisiert und - zumindest kann ich das für unseren Brandenburger Landesverband erklären - notfalls auch kontrovers erörtert. Das parteiinterne Regulativ funktioniert gut und sorgt auch dafür, dass unsere Abgeordneten ihre Bodenhaftung behalten.
Regierungsbeteiligungen sind kein Selbstzweck, um Spitzenpolitiker mit Pöstchen zu versorgen, sondern haben das Ziel, die Gesellschaft in unserem Sinne fortzuentwickeln, bzw. jederzeit drohende Rückschritte zu verhindern.
Die Hinwendung zu CDU, bzw. sogar FDP in Schleswig-Holstein, war kein Herzensprojekt meiner Partei, sondern beruht auf dem Ergebnis der letzten Wahlen. Ich weiß, dass es bei den Schleswig-Holsteiner Grünen deswegen auch heftige Auseinandersetzungen gegeben hat, ob man das Wagnis überhaupt eingehen sollte. Die Differenzen zwischen FDP und Bündnis90/ Die Grünen können eigentlich nicht größer sein, als sie es sind.
Letztlich gab aber ein aus grüner Sicht erfolgreich ausgehandelter Koalitionsvertrag den Ausschlag für die Entscheidung zugunsten der Koalition. ( https://sh-gruene.de/files/synopse_wahlprogramm_koalitionsvertrag.pdf )
Was wäre die Alternative gewesen?
Der CDU-FDP-Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen mit seiner Rolle rückwärts in der Energie- und Umweltpolitik, Entsolidarisierung der Kommunalfinanzen, "Bürokratieabbbau" (... was nichts weiter heißt, als Abschaffung von Regeln, mit denen Wirtschaft in das Gemeinwohl gezwungen werden kann..), Verschärfung der Innenpolitik usw. zeigt auf, wohin die Reise ohne das Korrektiv von Bündnis90/ Die Grünen gehen würde. Deswegen halte auch ich die Überlegung für einen Irrweg, zur Aufrechterhaltung der "reinen Lehre" und um saubere Hände zu behalten in der Opposition verharren zu wollen.
Aus der Opposition heraus sind solche Verschlechterungen kaum zu verhindern und das Aufwerfen der Frage, wer schuld sei, löst keine Probleme. Das hilflose Zetern auf der Oppositionsbank gegen Entscheidungen, die einem nicht schmecken, hilft auch niemandem weiter.
Nur muss man auch feststellen, dass auch die Arbeit in einer Koalition nie die "reine Lehre" umsetzen wird, sondern von Sachzwängen, einem ausgehandelten Koalitionsvertrag, Austragung von M.proben, bzw. auch der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs folgt. Hier kann es deswegen durchaus zu Differenzen zwischen dem eigenen Wollen einzelner Minister und dem tatsächlichen Regierungshandeln kommen.
Jetzt aber zu meiner persönlichen Haltung, die völlig klar ist. Im Falle meiner Wahl würde ich als Abgeordneter nicht gegen mein Gewissen entscheiden. Punkt!
Ich bin kurz vor dem regulären Ende meiner beruflichen Tätigkeit als Kriminalbeamter und bereits erreichter Höchstpension auf eine politische Karriere nicht angewiesen, sondern mache das, was ich mache, mit Herzblut, Überzeugung und Gestaltungswillen.
Ich wäre insofern auch gegen Versuche immun, irgendwelche Entscheidungen gegen meinen Willen von mir erzwingen zu wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Dyhr