Frage an Thomas Dyhr von Werner B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dyhr,
denken Sie, dass gerade Brandenburg eine Problem mit einer gewissen "Rechten Subkultur" hat? Sehen Sie hier konkreten Handlungsbedarf? Wie sähen Ihre Lösungsantsätze aus?
Vielen Dank für Ihre Mühe.
W. B.
Sehr geehrter Herr B.,
ja, wir haben in Brandenburg leider auch eine rechte Subkultur, die bedauerlicherweise gerade wieder erstarkt. Die Übergänge von geistigen Bandstiftern in Kriminalität und Rechtsterrorismus sind leider fließend, wie Anschläge auf Asylbewerberheime etc. belegen. Ja - wir haben Handlungsbedarf in mehrerlei Hinsicht.
a.) Die rechtsextreme Szene mit einem geschlossenen Weltbild wird man mit präventiven Programmen nicht erreichen. Hier hilft nur konsequente Strafverfolgung, soweit sie dazu Anlass bietet. Strafverfolgung setzt aber ausreichend Ressourcen bei Polizei und Justiz voraus, was meine Partei fordert, um möglichst schnell zur Verurteilung zu kommen. Verfahrensdauern > 1 Jahr sind schlicht kontraproduktiv.
Insbesondere werden die Propagandadelikte im Internet oft unterschätzt. Diese erzeugen aber ein nur schwer erträgliches Klima, in dem Gewalttaten prächtig gedeihen können. Deswegen plädiere ich auch für große polizeiliche und justizielle Anstrengungen auf diesem Deliktsfeld.
b.) Präventive Programme müssen bei jungen Menschen ansetzen, bevor sie in die Szene abgleiten. Das kostet Geld und setzt vor allem Verlässlichkeit auf Seiten der Zuwendungsgeber voraus. Projekte, die nur von Jahr zu Jahr finanziert werden und jedes Jahr neue Anträge stellen müssen, können nicht ausreichend verlässlich planen. Vor allem brauchen auch die Menschen, die man mit den Projekten erreicht, Verlässlichkeit. Hier setze ich mich für einen längeren Atem und längere Zuwendungsperioden ein und denke auch, dass die Zuständigkeiten hierfür abgekoppelt von der Innenpolitik im Familienministerium gebündelt werden sollten. Die Prävention muss auch in Haftanstalten betrieben werden, wo es nicht selten zu Radikalisierungen kommt.
Prävention beinhaltet auch politische Bildung und die Vermittlung von Werten in der Schule. Gerade die Vermittlung von Werten scheint mir im Schulbetrieb zu kurz zu kommen und das rächt sich.
c.) Aussteigerprogramme sind grundsätzlich sehr sinnvoll und notwendig. Ich bezweifle aber, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz hierfür wirklich die richtige Adresse ist. (Vergl. https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-rechtsextremismus/aussteigerprogramm-rechtsextremismus) Diese Aufgabe würde ich eher der Polizei zuordnen, weil ein Aussteiger, der sich in der Szene selber strafbar gemacht hat, auf einen sachgerechten und vor allem auch formal sauberen Umgang mit begangenen Straftaten angewiesen ist. Fehlt es an diesem, dann wäre der Aussteiger jederzeit ein leichtes Ziel von darauf basierenden Anschwärzereien aus der Szene, die aufgrund des Legalitätsprinzips automatisch zur Einleitung von Ermittlungsverfahren führen würden. Entsprechende Erfahrungen musste ich im Rahmen meiner früheren Arbeit im Rauschgiftmilieu sammeln, wo Aussteiger über den Weg eines Anschwärzens und darauf basierenden Ermittlungsverfahren ausgeforscht wurden.
d.) Wir brauchen eine angemessene Fürsorge für Opfer exremistischer Gewalt. Die Rechtsgrundlagen sind heute schon recht gut ausgebaut. Hier hapert es häufig genug am Vollzug, was allerdings überwiegend in der Verantwortung der Länder liegt.
e.) Ein ernsthaftes Kommunikationsproblem besteht zwischen Politik und Bürgern, die - ohne eingefestigtes rechtsextremistisches Weltbild zu haben - den einfachen "Lösungsansätzen" des blau-braunen Randes anhängen. Es ist wichtig, dieses Kommunikationsproblem zu überwinden, ohne die Grundlagen unseres Grundgesetzes und unsere Werte preiszugeben. Aber ich bin da ehrlich - Rezepte, wie das gehen könnte, habe ich dafür derzeit noch nicht. Kommunikation setzt zwei Seiten voraus und wenn es da an einer gemeinsamen Basis fehlt, wird das unendlich schwierig. Wenn jemand dafür praxistaugliche Vorschläge hat, bin ich dafür dankbar.
f.) Zweistellige Wahlergebnisse für Neonazis und ihnen nahestehende Gruppierungen in Mecklenburg-Vorpommern, erzeugen bei mir Grusel. Da ist scheinbar ganz viel schiefgelaufen. Die beste Immunisierung gegen Rechtsextremismus ist eine aktive Zivilgesellschaft. Gegenkundgebungen gegen AfD oder NPD o.ä., wie sie neulich in Eberswalde unter anderem mit meiner Beteiligung organisiert wurden, machen deutlich, dass die Zivilgesellschaft dem rechten Rand nicht das Feld überlässt. Stetiger Widerstand verhindert, dass sich der Rechtsextremismus weiter ausbreiten kann. Wenn sie sich dagegen erst einmal - wie z.B. in einigen Bereichen Mecklenburg-Vorpommerns - als Pseudo-"Kümmerer" haben ausbreiten können, ist das Zurückdrängen umso schwerer.
Deswegen bestürzen mich Abstimmungen wie kürzlich im Landtag in Sachsen-Anhalt, wo die CDU-Fraktion mit der AfD-Fraktion paktiert hat. Hierdurch macht die CDU den Rechtsextremismus der AfD hoffähig. Wenn dem Rechtsextremismus nicht noch weiteren Raum gewährt werden soll, dann bedarf es einer politischen Verlässlichkeit, die ich Ihnen für mich sprechend und auch für meine Partei guten Gewissens zusagen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Dyhr