Frage an Thomas Dyhr von Matthias N. bezüglich Soziale Sicherung
Befürworten Sie die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens? Warum würden Sie es ablehnen und warum befürworten?
Sehr geehrter Herr N.,
ich bin der persönlichen Überzeugung, dass die Gesellschaft sozial verträgliche Antworten finden muss, wenn wie prognostiziert, in absehbarer Zukunft tatsächlich die Hälfte aller Industriearbeitsplätze infolge der Automatisierung wegfallen sollten. (Vergl. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum/roboter-in-der-wirtschaft-millionen-jobs-fallen-weg-14018180.html).
Ich halte es für einen Irrglauben, dass es gelingen wird, alle davon betroffenen Menschen in auskömmliche - gute - Arbeit zu bringen und denke auch, dass es nicht hinnehmbar ist, wenn ein Heer unterbeschäftigter Menschen als Druckpotential für Lohn- und Sozialdumping missbraucht wird. Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ist für mich eine der wesentlichen Säulen unserer Verfasstheit.
Ein Modell, das beim Nachdenken über mögliche Lösungen der Probleme besonders ins Auge sticht, ist das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens. Nennen wir es vielleicht lieber "staatlich finanzierten Grundeinkommens". Bedingungslos ist es ja nicht mehr, wenn Verrechnungsmechanismen o.ä. greifen würden. Ohne adäquate Verrechnungsmechanismen seiner Ausgestaltung würde seine Finanzierung aber vermutlich an Grenzen stoßen.
Folgende Prämissen sind für mich dabei bedeutsam:
a.) Das Grundeinkommen darf nicht zum Sinken bisheriger Absicherungsstandards und ihrer Finanzierungsgrundlagen führen. Es ist ein sozialstaatliches Modell und keines der Wirtschaftspolitik!
b.) Die Refinanzierung muss von der Wirtschaft geleistet werden. Es darf nicht sein, dass sich Wirtschaft ihrer Verantwortung für die Menschen und den Sozialstaat durch Rauswurf der Menschen entledigt und die Rationalisierungsgewinne einstreicht, dafür die Gesellschaft dann aber die daraus erwachsenen Lasten trägt. Insofern denke ich, dass der Energieeinsatz oder Maschineneinsatz in welcher Form auch immer zukünftig zu besteuern ist.
c.) Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Existenzsicherung. Das wäre am einfachsten dadurch zu erreichen, dass ein Grundeinkommen ohne Bedürftigkeitsprüfung erstmal an alle ausgezahlt würde. Nur noch für Menschen, die einen Bedarf haben, der darüber hinausgeht, bräuchte es eine Bedarfsprüfung. Das würde die Behörden massiv entlasten. Niemand würde mehr durch das soziale Netz fallen. Besondere Bedarfe wären dennoch gedeckt.
d.) Die Zahlungen hätten den Charakter einer Vorschusszahlung zur Besteuerung von zusätzlichen Einkommen. Damit würden Fehlförderungen vermieden und nur diejenigen gefördert, die Förderung brauchen, weil bei den anderen der Vorschuss über die Steuer wieder zum Abzug kommt.
e.) Alle Einkünfte wären im Verhältnis zum Grundeinkommen ohne Anrechnung "on Top", d.h. der Anreiz, sich etwas dazu zu verdienen ist höher, als gegenwärtig, wo sich die Aufnahme von Arbeit wegen der Anrechnung nicht lohnt. Diese Regelung hätte im Übrigen auch Bedeutung bei der Bekämpfung von Altersarmut, weil selbstverständlich auch Rentenzahlungen "on Top" wären.
Es sind für mich allerdings noch diverse Fragen nicht befriedigend ausdiskutiert - so die Frage nach einer erforderlichen Begrenzung des Empfängerkreises, Höhe des Grundeinkommens für Kinder und vieles verschiedenes mehr. Insofern sehe ich die Diskussion zum Grundeinkommen auch noch nicht als abgeschlossen und entscheidungsreif an, sondern verfolge die laufenden Versuche u.a. in Finnland mit Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Dyhr