Frage an Thomas Dyhr von Dieter G. bezüglich Innere Sicherheit
1. Frage zum Thema Wehrpflicht: Wollen Sie an der Wehrpflicht festhalten oder sie reformieren? Oder diese aussetzen? Oder sie abschaffen?
2. Frage zum Kriegseinsatz in Afghanistan: Treten Sie für den weiteren Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ein? Wenn ja: Für wie lange längstens? Und wie sieht Ihr Ausstiegsszenario aus?
3. Fragen zu Gesetzen, welche die Menschenwürde und Menschenrechte von Flüchtlingen in Deutschland verletzen und Wasser auf die Mühlen "rechter Diskurse" sind:
a) Treten Sie für die Abschaffung der "Residenzpflicht" für Flüchtlinge ein (die ihre Bewegungsfreiheit jahrelang auf einen Landkreis beschränkt und viele kriminalisiert)?
b) Werden Sie sich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes einsetzen, um seine diskriminierenden und stigmatisierenden Folgen zu überwinden?
Danke im Voraus!
Sehr geehrter Herr Gadischke,
ich möchte mich zunächst für die Fragen bedanken und für die verspätete Antwort bei Ihnen entschuldigen, die einem Ausfall des Internets am heimischen PC geschuldet ist. Ihre Fragen, beantworte ich wie folgt:
1. Frage zum Thema Wehrpflicht: Wollen Sie an der Wehrpflicht festhalten oder sie reformieren? Oder diese aussetzen? Oder sie abschaffen?
Ich bin für die ersatzlose Abschaffung der Wehrpflicht, weil ich heutzutage keine triftigen Gründe mehr erkennen kann, welche diesen schwerwiegenden Eingriff des Staates in die Lebensplanung junger Menschen rechtfertigen könnte. Wir leben nicht mehr im kalten Krieg und sind von Freunden umgeben. Die Wehrgerechtigkeit ist auch nicht mehr gewahrt, wenn lediglich ein Bruchteil der in Frage kommenden jungen Männer eingezogen werden. Die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht um ihrer selbst willen ist kein Grund, dem ich das Attribut "triftig" zubilligen würde. Bündnis 90/ Die Grünen treten für einen Männern und Frauen offenstehenden freiwilligen Kurzdienst in der Größenordnung von 12 bis 24 Monaten ein und die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee im Auftrag des Parlamentes.
2. Frage zum Kriegseinsatz in Afghanistan: Treten Sie für den weiteren Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ein? Wenn ja: Für wie lange längstens? Und wie sieht Ihr Ausstiegsszenario aus?
Die ursprünglichen Einsatzziele der Hilfestellung zum Aufbau ziviler staatlicher Strukturen und Wiederaufbau des nach jahrzehntelangem Krieg verwüsteten Landes trage ich mit. Nach den mir aus der Ferne zur Verfügung stehenden Informationen sind aber die seinerzeit mit der Einsatzentscheidung verknüpften Ziele des Aufbaus einer Zivilgesellschaft mittlerweile von einer (durch die Bundeswehr nicht zu verantwortenden) militärischem Eskalationsstrategie der NATO-Verbündeten im Süden des Landes verdrängt worden. Rücksichtslose Bombardements mit Hunderten Opfern unter der Zivilbevölkerung haben die Stimmung zu Lasten der ausländischen Truppen im Lande und zugunsten der Taliban gedreht. Die ausländischen Truppen werden laut Presseberichten für mich durchaus nachvollziehbar mittlerweile von großen Teilen der Bevölkerung als Teil des afghanischen Problems wahrgenommen.
Wenn es nicht gelingt, die militärische Eskalationsstrategie der NATO kurzfristig wieder hin zu einem von der Bevölkerung akzeptierten zivilen Aufbau der Gesellschaft zu wenden, wären die seinerzeit mit der Einsatzentscheidung verknüpften Ziele nicht mehr erreichbar. Damit liefe der Einsatz dann aber inhaltlich auf eine gewaltsame dauerhafte Besatzung des Landes hinaus und wäre für mich überhaupt nicht mehr akzeptabel. Dann ist es meiner Meinung nach an der Zeit, abzuziehen - und zwar so schnell, wie immer es taktisch/ logistisch umsetzbar ist. Die zur Beurteilung dieser Frage erforderliche kritische und politische Bestandsaufnahme der Situation vor Ort muß im Interesse auch der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten kurzfristig erfolgen. Hilfe ja - Krieg nein!
3. Fragen zu Gesetzen, welche die Menschenwürde und Menschenrechte von Flüchtlingen in Deutschland verletzen und Wasser auf die Mühlen "rechter Diskurse" sind:
a) Treten Sie für die Abschaffung der "Residenzpflicht" für Flüchtlinge ein (die ihre Bewegungsfreiheit jahrelang auf einen Landkreis beschränkt und viele kriminalisiert)?
b) Werden Sie sich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes einsetzen, um seine diskriminierenden und stigmatisierenden Folgen zu überwinden?
Der Umgang mit Flüchtlingen hierzulande ist tatsächlich in weiten Teilen unwürdig und gehört in Form der Abschaffung der von Ihnen kritisierten Vorschriften geändert. Über Jahre hinaus aufrechterhaltene unsichere Aufenthaltsverhältnisse in Form von Dauerduldungen mit allen den damit verbundenen Einschränkungen stehen der notwendigen Integration dieser Menschen in Deutschland entgegen. Bündnis 90/ Die Grünen unterstützen daher den Vorschlag der EU-Kommission, die sozialen Mindeststandards für Asylbewerberinnen und -bewerber zu verbessern und auch ihnen das Recht auf Arbeit schneller zuzugestehen. Wir setzen uns ferner dafür ein, dass Menschen ohne Aufenthaltsrecht Zugang zu medizinischer Grund- und Notfallversorgung erhalten und dass ihre Kinder ungehindert Kindergärten und Schulen besuchen können.
Ich hoffe Ihnen, mit den Antworten gedient zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Thomas Dyhr