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Frage von Christian S. •

Frage an Thomas Blechschmidt von Christian S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Blechschmidt
Die Idee ihrer Liste, mehr Volksentscheide durchzuführen, findet sich auch im ÖDP-Wahlprogramm ( http://oedp.de/themen/programme ). Warum kandidieren sie nicht für diese Partei?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Stadelmann,

Vielen Dank für Ihre Frage. Natürlich werfen Sie einen nahe liegenden Gedanken in die Diskussion, was ich sehr begrüße. Es macht einen mit Recht stutzig, wenn nun eine Gruppe enthusiastischer, engagierter Leute mit nur einem einzigen Thema zur Wahl antritt. "Was wollen die? Was soll das?"

Sie formulieren hier in einer sehr direkten und einfachen Art, was viele Menschen bewegt, wenn sie von uns erfahren. Und das gefällt mir außerordentlich gut. Diesen Ball nehme ich gern auf und möchte das Thema nun von ein paar Seiten beleuchten. Allerdings werde ich umfassend antworten und mich nicht auf die angenehme Kürze Ihrer Frage beschränken.

Zum einen habe ich eine persönliche politische Geschichte, die unter anderem auch Erfahrungen innerhalb einer Partei einschließt. Diese Erfahrungen konnten mein Verständnis von Demokratie jedoch nicht zufrieden stellen.

Beobachte ich die politische Landschaft, dann stelle ich immer wieder fest, dass die herrschende politische Monokultur der Parteien in Deutschland mittlerweile darin besteht, dass die Parteien - und nur die Parteien - alle wichtigen personellen Positionen besetzen und dementsprechend alle Entscheidungen parteiintern vorweggenommen werden:

Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzler, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht, ja sogar die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie die Verflechtungen zwischen Parteien und den größten Wirtschaftsunternehmen sind hinreichend bekannte Tatsachen.

Haben Sie den Eindruck, dass der Bundespräsident am 23. Mai gewählt wurde, oder nach vorheriger, lang anhaltender Diskussion (Show?) und interner Absprache lediglich von einem Gremium, auf dessen Zusammensetzung wir als Bürger keinen direkten Einfluss haben, formell im Amt bestätigt wurde? Warum hat Horst Köhler selbst nun den Ball ins Spiel gebracht und gefordert, der Bundespräsident solle in Zukunft direkt vom Volk gewählt werden? Er greift damit nun bereits als dritter Präsident aus dem konservativen Lager die Forderung nach mehr direkter Demokratie auf, für die wir als Wählergemeinschaft FÜR VOLKSENTSCHEIDE stellvertretend in den Wahlkampf ziehen. Und weiterhin zeigt die Union nichts als kühle Ablehnung. Die Bundeskanzlerin als "Abkanzlerin"?

Dieses System, das oft auch als "Deutschland AG" bezeichnet wurde, hat Vorteile und Nachteile. Demokratischen Ansprüchen genügt es jedoch nur unzureichend. In Artikel 21 Grundgesetz, Satz 1 heißt es: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit."

Mitwirken impliziert ja schon das Vorhandensein anderer Akteure. Doch wo sind diese? Etwa die Medien? Und wo steht da das Volk? Da es weit und breit keine anderen Akteure mit Einfluss und Entscheidungsfähigkeit außer den Parteien gibt, spricht Vieles für meine These von einer herrschenden "politischen Monokultur".

Unserer Wählergemeinschaft geht es nun darum, auf dieses Defizit hinzuweisen und den Menschen eine Botschaft näher zu bringen:

"Man kann da eh nichts machen" ist ein Satz, der völlig falsch ist. Bei der Europawahl haben wir nur eine Stimme. Die können wir am kommenden Sonntag verwenden und das sollten wir auch alle tun. Um Zeichen zu setzen.

Der Einfluss des Europaparlaments wird erstens unterschätzt. Er ist größer, als die meisten glauben oder auch nur ahnen.

Zweitens wird dieser Einfluss leider immer noch ungenügend kommuniziert. Daran zu arbeiten ist eine der wichtigsten Aufgaben für die gewählten Europaparlamentarier.

Drittens ist der Einfluss dieses Parlaments nur mittelbar wahrnehmbar. Und genau darum ist diese Wahl so gut wie keine andere geeignet, Zeichen auf grundlegender politischer Ebene zu setzen. Die Stimmabgabe zu Gunsten von Parteien, die mit konkreten Themen antreten, ob viele oder wenige Themen, ist bei der Europawahl nicht wirklich nützlich.

Sie könnten z. B. die Piraten wählen, die ein sehr wichtiges Thema ins Visier genommen haben, doch dieses Thema berührt nur einen Bruchteil der Bevölkerung. Bei der ÖDP sind die Themen sicher essentieller und berühren einen größeren Kreis der Menschen. Dann haben wir eine Tierschutzpartei und eine Familienpartei und viele mehr. Es sind sogar vier verschiedene Seniorenparteien am Start. Haben Sie zufällig den Beitrag zur Europawahl am gestrigen Dienstagabend im BR gesehen? Allen vertretenen teilnehmenden Gruppen ist mit einer Ausnahme eines gemeinsam:

Sie sind Parteien oder auf dem Weg dazu, wie im Fall der Freien Wähler. Sie haben ein Programm, das mehr oder weniger viele Schwerpunkte setzt, bei vielen wird es sofort unkonkret und schwammig, Allgemeinplätze bestimmen die politischen Aussagen und in der Mehrheit sind sie untereinander austauschbar. Die überwiegende Mehrheit hat unser Thema "Volksentscheide" als einen unter mehreren Punkten im Programm.

Das haben aber GRÜNE, SPD, LINKE und FDP auch, sogar die CSU spricht davon bei mehr oder weniger passenden Gelegenheiten mit mehr oder weniger klar erkennbarer Absicht. Betrachten wir rein die vier im Bundestag vertretenen Parteien außerhalb der Union, dann stellen wir fest, dass wir eine parlamentarische Mehrheit FÜR VOLKSENTSCHEIDE haben, doch Anfang Mai wurden sämtliche eingebrachten Gesetzesvorlagen dafür abgelehnt. Ist das eines demokratischen Parlaments würdig? Stillstand pur. Wichtige Sachfragen werden durch ewige Kompromisse verwässert, der Koalitionsfrieden steht über dem Dienst an den Bürgern, relevante Inhalte werden gegen sachfremde politische Zugeständnisse und Personalentscheidungen getauscht und damit seit Jahrzehnten wertvolle Chancen verspielt. Das trifft alle Bereiche und wird zunehmend zur Regel. Ein Beispiel: 0% Mehrwertsteuererhöhung plus 2 % Mehrwertsteuererhöhung = Koalitionsfrieden plus 3 % Mehrwertsteuererhöhung.

Frage: Warum leben wir jetzt seit fast 30 Jahren mit der Gesundheitsreform?

Doch zurück zu den bei der Europawahl vertretenen. Wir als Wählergemeinschaft vertreten als einzige strikt genau ein Thema, und zwar eines von zentraler Bedeutung, da es um eine Frage von verfassungsrechtlicher Relevanz geht:

VOLKSENTSCHEIDE gehören in das Grundgesetz. Alle anderen Themen der anderen Gruppierungen lassen sich auf einer Handlungsebene unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene ansiedeln. Sind Volksentscheide als rechtlich verbindliches Mittel eingeführt, dann hat jede der existierenden Interessengruppen die direkte Möglichkeit, ihre berechtigten Themen auf die politische Tagesordnung zu setzen und eine Lösung in angestrebtem Sinn herbeizuführen. Für mich sind Parteien und andere Gruppierungen mit breiterem Ansatz allein deshalb erst mit der Einführung von Volksentscheiden wieder persönliches Engagement und Mitgliedschaft wert und erst dann eine wählbare Alternative.

Zum anderen stellen mich Parteien und vor allem Programme immer wieder vor ein Dilemma: Entscheide ich mich für eine Partei, so entscheide ich mich für deren Programm. Ungeachtet der Realität, dass unsere Erfahrung mit Programmen immer wieder negative Erlebnisse mit sich bringt, die sich in der einfachen Feststellung manifestieren, dass Programme regelmäßig zu Wahlen erstellt werden und eine Menge von Versprechen enthalten, die nach den Wahlen genauso regelmäßig gebrochen werden, so bringt ein Programm doch immer mit sich, dass:

=> Ich mich einer Festlegung und damit einer Einschränkung meiner persönlichen Entscheidungsmöglichkeit unterwerfe. Freiheit, und die ist mir wichtig, bedeutet jedoch immer auch, wenn man etwas ohne Angst vor Konsequenzen auch bleiben lassen kann.

=> Ich als Demokrat auch immer der Notwendigkeit unterworfen bin, mich mit allen vorgestellten Programmen auseinandersetzen zu müssen. Am Ende des Studiums bleibt mir dann nur die Möglichkeit, mein Kreuz dort zu machen, wo am wenigsten Widersprüche bestehen. Mit anderen Worten: Das kleinste Übel wählen.

Diesem politischen Usus und derzeit herrschenden Paradigma setzen wir ein völlig anderes Konzept entgegen. Unser Konzept zielt auf die Alternative, zusätzlich zu den Programmen überzeugende Persönlichkeiten zu wählen, die dann für die Bewältigung anstehender Themen sorgen. Diese Themen sollen auch durch die Bürger selbst angestoßen und in die Diskussion eingebracht werden können.

Wir haben deshalb kein Programm, sondern sind absolut sicher, dass es genügend gut ausgebildete, motivierte und verantwortungsbereite Bürger gibt, auf die wir zählen können. So denke ich persönlich, dass zum Beispiel die Freien Wähler, die ÖDP, die Piraten, die Tierschutzpartei, auch die GRÜNEN, die LINKEN, die FDP, natürlich wir selbst und einige andere Gruppierungen ausgezeichnete Persönlichkeiten in Ihren Reihen haben, die dem Bundestag besser zu Gesicht stehen würden, als die Hinterbänkler der "großen Volksparteien", die als Platzhalter auf den Listen auftauchen und dann nachrutschen, wenn weiter oben stehende Personen über das Direktmandat in den Bundestag gewählt werden und Listenplätze frei werden. Leider treten diese hervorragenden Personen dann oft als Parteimitglieder auf verlorenem Posten in den Wahlkreisen an, statt als Einzelkandidaten mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich unserem Sachthema FÜR VOLKSENTSCHEIDE gemeinsam mit uns außerhalb aller parteipolitischen Zugehörigkeit für die Realisierung dieses Ziels anzutreten. Schließlich behaupten alle diese Gruppierungen ja, für diese Thema zu stehen. Was also hindert sie, entsprechend zu handeln?

Damit kommen wir zum Thema Bundestagswahl: Bei der wir ausschließlich mit Direktkandidaten antreten. Eben deswegen. Wir sind nicht gegen Parteien, wir sind nicht gegen Programm, wollen aber dem Wettbewerb der politischen Ideen wieder mehr Freiraum geben und die Parteien wieder auf das Maß an Einfluss zurückführen, dass Ihnen laut Grundgesetz zusteht.

Nun habe ich Ihnen ausführlich dargelegt, warum ich derzeit weder für die ÖDP noch sonst eine Partei antreten will und auch keine Partei wählen will.

Kurz gesagt: Wenn auch nur ein Programmpunkt enthalten ist, dem ich nicht zustimmen kann, schließt das eine Kandidatur für mich bei der betreffenden Partei aus. Meine Zweitstimme wird sicher einer Partei gehören. Da gehört sie auch hin.

Dennoch möchte ich noch ein wenig weiter gehen und Ihnen eine zusätzliche Überlegung vorstellen: Sehr viele Parteien, "Experten", Wahlforscher und Bürger äußern sich besorgt über die zunehmende Zersplitterung der politischen Landschaft. Das ist zum einen der zunehmenden Individualisierung geschuldet, zum anderen genau dem politischen Verhaltensmuster, zu dem wir mit unserem Vorschlag eine Alternative anbieten: Die Programme.

Nehmen Sie einmal die Programme aller Parteien, zerlegen Sie diese in Ihre Punkte uns setzen Sie die Aussagen neu zusammen. So als wären es lauter bunte Legosteine. Dann bekommen sie immer neue Muster und immer neue Mixturen aus verschiedenen Anliegen. Mal mehr, mal weniger umfangreich.

Am Ende ist es aber immer das Gleiche in anderer Zusammensetzung und deshalb fällt es um so schwerer, sich zu entscheiden. Doch eines können Sie nie: Auswählen. Ihre persönlichen Anliegen auf den Punkt zusammenstellen und an den Mann / die Frau bringen. Dazu wäre theoretisch der direkt gewählte Abgeordnete Ihres Wahlkreises der richtige Ansprechpartner. Sie selbst könnten zum Beispiel für dieses Amt mit uns antreten, ohne einer Partei anzugehören.

Sie erkennen sicher eine bedeutende, negative Seite der Funktionsweise von Parteien: Wie beschrieben führen Programme mit wachsenden Umfang zu weniger Entscheidungsfreiheit, mehr Unzufriedenheit, zur stärkeren Suche nach Lösungen, motivieren damit zum Handeln und Kopieren der vorliegenden Muster. Eine Dynamisierung und zunehmende Aufsplitterung ist die Folge. Es kommt zu immer mehr Koalitionen, bei denen immer nach dem einfachsten Weg gesucht wird. Deswegen haben wir derzeit eine große Koalition und die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Herbst erneut eine große Koalition ist nicht gering. Das bedeutet, der derzeitge Stillstand bleibt die einzige Konstante. Welches Problem wurde gelöst? Die Wirtschaftskrise wird die Verhältnisse eher zementieren und lässt den kleinen Parteien noch weniger Chancen, etwas zu bewegen. Und mit der Angst vor den Folgen dieser Krise spielen manche der Etablierten sehr geschickt.

FÜR VOLKSENTSCHEIDE ist keine kleine Partei. Wir sind überhaupt keine Partei.

FÜR VOLKSENTSCHEIDE ist eine große Idee, die Deutschland eine riesige Chance bietet. Die Frage bleibt, in wie weit es uns gelungen ist, diese Chance möglichst vielen Menschen zum 07.Juni nahezubringen und wie weit es uns gelingt, das bis zum 27.September zu wiederholen.

Sie und alle anderen Bürger dieses Landes sind dazu herzlich eingeladen.

Mit demokratischen Grüßen

Thomas Blechschmidt