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Thomas Blechschmidt
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Frage von Luigi S. •

Frage an Thomas Blechschmidt von Luigi S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Blechschmid,
Sie sagen Sie sind für Volksentscheide, was mit Sicherheit die aktuelle Politikverdrossenheit ein Ende bereiten würde.
Wie wollen Sie die bestehende Ordnung/Unordnung der Partitokratie abschaffen? Welches Model schlagen Sie vor?
Für Ihre Antwort, danke ich im Voraus.
Mit demokratische Grüße
Luigi Sommariva

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Antwort von
PIRATEN

Guten Morgen Herr Sommariva,

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich freue mich sehr, auch einmal auf zentrale Punkte unseres "Programms" antworten zu können. Sie schneiden gleich mehrere Fragen und Themen gleichzeitig an. Ich versuche das einmal aufzulösen und nacheinander abzuarbeiten.

Ihre Frage: Sie sagen Sie sind für Volksentscheide, was mit Sicherheit die aktuelle Politikverdrossenheit ein Ende bereiten würde.

=> Jawohl. Wir sind FÜR VOLKSENTSCHEIDE. Und das in mehrfacher Hinsicht und im wahrsten Sinne des Wortes. Wir heißen so, unser Name ist gleichzeitig unser "Programm", unser Ziel und inhaltlicher Fokus unserer Aktivität. Für Viele ist es schwierig, uns einzuordnen und überhaupt zu verstehen, dass wir für einen völlig anderen Politikansatz stehen. Politik muss nicht kompliziert und schwierig sein. Es genügt, wenn sie sich einfach und verständlich an den zentralen Grundrechten unseres Grundgesetzes und den Menschenrechten ausrichtet. Diese Werte sind da und nachvollziehbar. Deshalb verzichten wir auf großartige Programme, die uns alle möglichen und unmöglichen Problemlösungen und Versprechen anbieten und dann sowieso nicht umgesetzt werden. Wir sind davon überzeugt, dass der weitaus größte Teil der Bevölkerung sehr genau weiß, was er will und was richtig und was falsch ist. Dazu brauchen wir keine Vorbeter, Welterklärer und Macher von Meinungen, sondern vernünftige, freien Zugang zu Informationen und offene Gespräche darüber. Diesen Part müssen wir freilich noch in weiten Teilen lernen und speziell unsere Schulen darauf ausrichten.

Ob verbesserte Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung die Politikverdrossenheit von Teilen der Bevölkerung eindämmen oder diese gar beenden ist umstritten. Zum einen gibt es Studien zum Wahlverhalten der deutschen und italienischen Bevölkerung in der Weimarer Zeit und in der Ära unter Mussolini, die vor allem darauf hindeuten, dass die Wirkungslosigkeit der damaligen Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung - in der Weimarer Republik gab es ja die theoretische Möglichkeit zu Volksentscheiden - und die Unfähigkeit der bestehenden Ordnung, Problem zu lösen, die Menschen in die radikalen Lager getrieben hat. Nur so ist es zu erklären, dass am Ende der Weimarer Republik sogar bürgerliche und liberale Politiker wie Theodor Heuss im Reichstag einem Gesetz zugestimmt haben, das den Nazis die Machtergreifung überhaupt erst ermöglicht hat. Jedenfalls geht der überwiegende Teil der Forschung davon aus, dass echte demokratische Mitbestimmung in Form von Volksentscheiden die Weimarer Republik stabilisiert und überlebensfähiger gemacht hätte. Der Ruf nach dem "eisernen Besen" ist der Ruf von Machtlosen und Verzweifelten.

Blickt man heute in Staaten, die Volksentscheide als gut eingeführtes Mittel der politischen Kultur mit Selbstverständlichkeit pflegen, dann fallen dort ein paar Dinge auf: Es gibt auch dort Politikverdrossenheit, wenn auch nicht so ausgeprägt wie hier und es lässt sich auch dort in Teilen eine gewisse Wahlmüdigkeit feststellen. Ich würde die Phänomene also gern genauer ansehen, bevor ich zu der Behauptung komme, Volksentscheide seien das Heilmittel gegen die Politikverdrossenheit. In Kalifornien etwa sind Volksentscheide zu Regierungsvorlagen möglich und der "Governator" Arnold Schwarzenegger wendet das Mittel in letzter Zeit immer wieder an, um seine Pläne und Ansätze ohne das widerspenstige kalifornische Parlament umzusetzen. Das kann dann leicht in eine Volksdiktatur ausarten, was aber auch der sehr starken Rolle es Gouverneurs im US-Staatsrecht geschuldet ist. Jedenfalls lässt sich dort eine gewisse Wahlmüdigkeit der Menschen ablesen. Die Wahlbeteiligung geht jedes Mal weiter zurück. Nun ist das ein gefundenes Fressen für die Gegner von Volksentscheiden, an dem sich aber jeder den Magen verderben wird, der nicht genau hinsieht: Ist es wirklich Wahlmüdigkeit oder Politikverdrossenheit, die sich breit macht, oder liegen die Ursachen tiefer? Ich denke, die Menschen dürfen von einem demokratischen System mit Sicherheit Transparenz, Achtung Ihrer Würde, Verbindlichkeit, Fairness, Rechtssicherheit und vor allem echte Mitbestimmungsmöglichkeiten erwarten, dennoch kann jedes politische System - egal ob demokratisch oder anders organisiert - nur dann überleben, wenn es auch seine zuverlässige Funktionalität nachweist. Das scheint mir in Kalifornien im Moment ein wenig zu fehlen, da ein starker Gouverneur(oder Ministerpräsident, Kanzler, Premierminister, Präsident) und ein obstruktives Parlament niemals die Gewähr dafür bieten, sondern im Moment eher einen Stillstand bewirken. Denn jede Regierung hat meiner Meinung nach zu aller erst die Funktion, das Gemeinwesen sauber, ordentlich und nachhaltig zu verwalten. Demokratie benötigt keine herrschende Regierung und keine herrschenden Eliten. Sie benötigt aber sehr wohl klare Strukturen der Funktionalität.

Richten wir nun das Augenmerk auf die Schweiz: Musterland der Volksentscheide und für mich ein Vorbild. Ich würde mir wünschen, dass auch wir aus unseren Wahlen festliche Events machen, statt miesepetrig in muffigen Turnhallen, Schulgebäuden, Hinterzimmern von Kneipen oder vollkommen verdreckten Jugendzentren hinter Pappwänden unsere Kreuzchen zu machen. Auch dort stellt man aber immer wieder fest, dass bei manchen der Volksentscheide die Beteiligung der Bürger unter 30 % liegt. Ein weiteres gefundenes Fressen für die Gegner hierzulande, das es Volksentscheide nicht braucht, da das Volk diese ja doch gar nicht will. Für mich ist das jedoch ein deutlicher Beweis dafür, dass Menschen mit vergleichbarem Bildungsgrad und vergleichbaren gesellschaftlichen Problemen keineswegs zu dumm sind, sich in der Politik vernünftig zu orientieren, sonder sehr wohl in der Lage sind, Schwerpunkte zu setzen. Denn die Beteiligung der Schweizer variiert je nach Thema oft stark. Dort sieht man das mit souveräner Gelassenheit: Dann ist das Thema den Menschen eben nicht so wichtig. Gerade die recht geringe Beteiligung an der Frage der Erhebung von spezifischen Daten für biometrische Pässe weist für mich eher darauf hin, dass wir das Thema hier nicht so überbewerten sollten und das staatstragende Theater von Parteien und Medien darum als ebensolches einschätzen sollten. Wie man sieht, besteht bei der Bevölkerung darüber auch in der Schweiz Unschlüssigkeit. Was soll das Ganze überhaupt? Wird hier medial gehypt, als Beschäftigungstherapie sozusagen?

Letztes Beispiel:

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/03/blank/key/2009/03.h
tml

Nun habe ich sehr viel erzählt, möchte Sie aber dennoch auf unser Konzept bzw. unseren Gesetzentwurf zu Einführung von Volksentscheiden hinweisen:

Ihre weitere Frage: Wie wollen Sie die bestehende Ordnung/Unordnung der Partitokratie abschaffen? Welches Model schlagen Sie vor?

http://www.fuervolksentscheide.de/volksentscheide/unser-konzept.html

=> Dort finden Sie unsere konzeptionelle Antwort. Ergänzend dazu ist es mir wichtig herauszustellen, dass wir die Parteien nicht abschaffen wollen. Parteien sind unserer Ansicht nach notwendig, um politische Grundausrichtungen zu bündeln und zu kanalisieren. Dazu genügen meiner persönlichen Ansicht nach allerdings drei Parteien völlig. Deshalb haben wir bislang auch darauf verzichtet eine weitere Partei zu gründen und treten (zur Europawahl am kommenden Sonntag als Liste 26 notgedrungen, da das Wahlrecht nichts anderes zulässt) bei der Bundestagswahl ausschließlich mit Bürger-Kandidaten um die Erststimmen an. Mitstreiter sind noch ausdrücklich erwünscht - auch mit Parteibuch eine demokratischen Partei.

Sind Rolle, Macht und Einfluss der Parteien verfassungswidrig?

Wir wollen allerdings den Einfluss und die Rolle der Parteien auf das Maß zurückschrauben, das im Grundgesetz vorgegeben ist. Dort heißt es im Artikel 21: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Das Grundgesetz garantiert den Parteien also ihre Existenz, weist ihnen dabei aber auch eine konkrete Aufgabe zu, die unserer Meinung nach explizit begrenzt ist. Ich will nun nicht so weit gehen, zu behaupten, der reale Einfluss der Parteien verstoße gegen das Grundgesetz und sei damit verfassungswidrig, doch eine Feststellung kann ich dabei nicht vermeiden: Der Einfluss der Parteien geht weit über bloße Mitwirkung hinaus und hat sich meiner Ansicht nach mittlerweile bis über die Grenzen des Zumutbaren hinaus ausgedehnt.

Hier ist jetzt Schluss!

Politische Verantwortung hat keinerlei materielle Substanz. Am Ende hat immer das Volk die letzte Verantwortung. Das Volk muss Zeit und wirtschaftliche Mittel aufbringen und erarbeiten, um die getroffenen Entscheidungen über Steuern, Gebühren, Abgaben, Inflation, Wohlstandsverzicht, Armut und Verpflichtung zu sozialer Dienstleistung zu finanzieren. Deshalb:

Letzte Verantwortung und letztes Wort gehören zusammen. Das ist Demokratie.

Für heute, lieber Herr Sommariva, beende ich meine Antwort, bedanke mich sehr und freue mich sehr über weitere Fragen.

Che veddiamo coi gli megliori sentimienti democratici

Thomas Blechschmidt