Frage an Thea Dückert von Ralf S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dr. Dückert!
Was wird Ihre Partei tun, um endlich dafür zu sorgen, das das Kindschaftsrecht reformiert wird?
Werden Sie Gesetze geschaffen, die den Erziehenden verpflichten, den Umgang mit dem Kind, notfalls unter Durchführung von Strafen, zu ermöglichen?
Bitte um Stellungnahme!
Mit freunlichen Grüßen
Ralf Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
tatsächlich gilt es im Bereich des Kindschaftsrechtes immer wieder neu abzuwägen und nach Verbesserungen angesichts sich verändernder gesellschaftlicher Realitäten zu suchen. Augenblicklich ist die gemeinsame Sorge nur möglich durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung, und zwar unabhängig vom Zusammenleben der Eltern und gemeinsamer Pflichtenübernahme. Gegen die Zustimmung der Mutter ist hingegen eine gemeinsame Sorge beider Elternteile nicht möglich. Gegen dieses „Vetorecht der Mütter“ waren mehrere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 29. Januar 2003 die geltende gesetzliche Regelung zum Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt.
In seiner Urteilsbegründung führt das Gericht unter anderem aus, dass trotz der Tatsache, dass beide Eltern Träger der Elternrechte aus Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz sind, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung erfordert sowie sich am Kindeswohl auszurichten hat. "Fehlen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen." Dieses Mindestmaß an Übereinstimmung, das die Verfassungsrichter für die gemeinsame Sorge anführen, spricht aus meiner Sicht gegen eine generelle gemeinsame Sorge auch bei Nichtverheirateten. Es ist unzweifelhaft, dass auch Väter ein Elternrecht haben. Das unangetastete Vetorecht der Mutter verweist in meinen Augen jedoch auf eine Gerechtigkeitslücke, die möglichst bald zu schließen ist. Außerdem geht es - Vaterrecht hin, Mutterinteresse her - vor allem um das Wohl des Kindes. Ich kann mir eine Lösung vorstellen, die eher in der Möglichkeit der Einzelfallentscheidung liegt.
Die geltende Übergangsregelung für das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern (Altfälle) könnte Modellcharakter für die Zukunft des Sorgrechts bei nicht miteinander verheirateten Eltern haben, in denen sich die allein sorgeberechtigte Mutter weigert, eine Mitsorge des Kindsvaters zuzulassen. Wenn der nicht mit der Mutter verheiratete Vater willens und in der Lage ist, die elterliche Verantwortung für das gemeinsame Kind in gleicher Weise wie die Mutter zu tragen und dies auch tatsächlich tut, sollte eine gerichtliche Einzelfallentscheidung zugunsten der gemeinsamen Sorge auch gegen den ausdrücklichen Willen der Mutter möglich sein. Diese gerichtliche Prüfung sollte allerdings nicht, wie in der Übergangsregelung festgelegt, an das gemeinsame Familienleben im Sinne einer tatsächlichen gemeinsamen elterlichen Sorge gebunden sein, sondern auch für Fälle gelten, in denen der Vater seinen Anteil an elterlicher Fürsorge erfüllt und vornehmlich am Willen der Mutter gescheitert ist. Sollte die Mutter die gemeinsame Sorge, wie vom Gesetzgeber in der bestehenden Regelung unterstellt, aus schwerwiegenden Gründen nicht befürworten, werden diese Gründe auch in der Einzelfallprüfung Bestand haben.
Der Sachverhalt der Umgangsvereitelung ist wirklich ein schwer lösbares Problem: zum einen gerichtsfest schwer nachweisbar und dann ordnungspolitisch schlecht durchzusetzen, denn niemand möchte die Kinder mit der Polizei fürs Wochenende abholen lassen. Die juristischen Möglichkeiten sind eher „theoretische Optionen“, sie sind in der Praxis nur selten erfolgreich. Hinzu kommt, dass die Dauer solcher Verfahren den Absichten des boykottierenden Elternteils entgegenkommt. Im Zuge der Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit planen wir daher Änderungen, welche im Interesse des Kindeswohls Verfahren beschleunigen und – deutlicher und offensiver als jetzt – auf einvernehmliche Lösungen abzielen. Das ‚Cochemer Modell’ hat sich außerordentlich erfolgreich etabliert. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung ist bereits in Ausarbeitung begriffen. Darüber hinaus muss ein besonderer Wert auf entsprechende Elemente in der Aus- und Fortbildung von Juristen sowie entsprechende Aufklärungs- und Unterstützungsangebote für die Betroffenen gelegt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Thea Dückert