Frage an Thea Dückert von Gerrit K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dückert,
Sie haben sich heute (18.6.2009) bei der Abstimmung zum Gesetz "Internet-Sperren" enthalten. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihr Stimmverhalten hier kurz begründen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Gerrit Kuhlmann
Sehr geehrter Herr Kuhlmann,
Sie haben mich nach einer Begründung für mein Abstimmungsverhalten beim Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet gebeten. Ich will Ihnen gerne erläutern, warum ich mich bei diesem Gesetz enthalten habe.
Eingangs möchte ich wesentliche Dinge klarstellen:
1. Ich habe mich bei diesem Gesetzentwurf enthalten. Eine Enthaltung schließt ein, dass ich Teile des Gesetzesvorhabens unterstütze, aber an wesentlichen Stellen Bedenken habe. Meine Enthaltung ist keine verdeckte Zustimmung, wie es mir gelegentlich vorgeworfen wird, sondern eine Abwägung aus Nutzen und Risiken.
2. Das Gesetzesvorhaben bewegte sich von Anfang an im Spannungsverhältnis zwischen Schutz- und Freiheitsrechten. Dabei stand auf der einen Seite die Internetcommunity mit der Sorge, der Kampf gegen Kinderpornographie im Internet wäre Vorwand und Einfallstor für eine weitergehende Zensur des Internets. Auf der anderen Seite befürworten namhafte Kinderschutzorganisationen, darunter auch die Unicef, das Gesetzesvorhaben als einen Baustein im Kampf gegen die Verbreitung von kinderpornographischem Material. Mir war es wichtig die Argumente beider Seiten zu hören und danach abzuwägen.
3. Gerne wird von Gegnern des Gesetzes auf die geschlossene Ablehnung von FDP und Linken verwiesen. Bei der namentlichen Abstimmung zum Gesetz fehlten aber sieben Abgeordnete der FDP und sogar 17 Abgeordnete der Linken. Hier liegt der Schluss nahe, dass auch in diesen Fraktionen abweichende Einschätzungen zum Gesetzentwurf vorlagen und man einer öffentlichen Diskussion durch Fernbleiben der Abstimmung aus dem Wege gegangen ist. Unsere Fraktion stellt sich der öffentlichen Debatte.
4. Den Grünen (namentlich den 15 Abgeordneten, die sich bei der Abstimmung enthielten) wird vorgeworfen, die Prinzipien des Grundgesetzes und der Bürgerrechte zu vergessen. Ich möchte dazu ganz klar sagen: Es gehört weder zu den grundgesetzlich in Artikel 5 garantierten Freiheiten noch zu den Bürgerechten Kinderpornographie per Mausklick im Internet frei und unbegrenzt abrufen zu können. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und das Recht auf freie Meinungsäußerung hat mit der Verbreitung von Kinderpornographie rein gar nichts zu tun.
Nun möchte ich am Gesetzentwurf darlegen, welche Abwägungen mich zu meinem Urteil bewogen haben. Dabei stelle ich leider oft fest, dass die durch unseren Druck in das Gesetz aufgenommenen Verbesserungen in der Diskussion kaum eine Rolle spielen.
Ich befürworte die Grundintention des Gesetzes, die Verbreitung der Kinderpornographie im Internet so weit es geht zu verhindern oder zu erschweren. Dabei gilt für mich der Grundsatz Löschen vor Sperren. Weil dies aber international nicht immer durchsetzbar ist, brauchen wir auch die Möglichkeit der Sperre. Dabei muss sichergestellt werden, dass die bereitgestellte Technik für keinerlei andere Zwecke als dem oben genannten Ziel genutzt werden darf und eine unkontrollierte Sammlung von Nutzerdaten unterbleibt. Die Sperrung darf nur das letzte Mittel sein, um den Zugang zu Internetseiten mit kinderpornographischem Material zu verhindern.
Durch die Verabschiedung eines Spezialgesetzes, das nur für den Bereich der Kinderpornographie gültig ist, wird gewährleistet, dass keine unkontrollierte Ausweitung der Sperrungen erfolgen kann. Eine Zensur in anderen Bereichen, wie sie immer wieder als Schreckgespenst an die Wand gemalt wird, hat also keinerlei rechtliche Grundlage.
Zudem wurde der Grundsatz des Löschens vor Sperren in das Gesetz aufgenommen. So ist gewährleistet, dass nur Internetseiten gesperrt werden dürfen, die auf keinem anderen Weg der Strafverfolgung aus dem Internet entfernt werden können. Dies kann dann passieren, wenn ausländische Behörden oder Zugangsprovider nicht kooperieren. Erst dann, und nur dann, kommt das Mittel der Sperrung zum Einsatz. Dies ist für mich klar nachzuvollziehen. Durch die Sperrung der Seiten werden die so genannten Zufallsnutzer, die laut BKA etwa 80 Prozent der Nutzer ausmachen, vor dem ungehinderten Zugriff auf Kinderpornographie abgehalten. Sicher ist eine Sperrung für internetaffine Pädophile zu umgehen. Diese Kriminellen müssen auch weiter mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden. Wichtig ist aber auch, dass ein Großteil der Menschen davon abgehalten wird, den sexuellen Missbrauch von Kindern ohne Probleme per Mausklick mitzuerleben. Das ist wichtig, denn nach meiner Auffassung kann jeder, auch ungewollte, Mausklick auf eine Kinderpornoseite dem abscheulichen Missbrauch von Kindern Vorschub leisten.
Auch die unkontrollierte Datensammlung von IP-Adressen der Nutzer, die an einem Stoppschild einer gesperrten Internetseite landen, findet nicht statt. Nach der Überarbeitung des Gesetzes ist klar, dass IP-Adressen an keiner Stelle gespeichert werden und so auch nie Teil eines Strafverfolgungsverfahrens werden können.
Diese drei wesentlichen Punkte waren Elemente der Kritik der Grünen Bundestagsfraktion und wurden mit in das Gesetz aufgenommen. Dennoch bleiben kritische Fragen, die mich zu einer Enthaltung des Gesetzentwurfs bewogen haben.
Fragwürdig bleibt die Rolle des Bundeskriminalamtes. Das BKA soll illegale Inhalte im Internet aufspüren und eine Sperrliste der Seiten erstellen, deren illegale Inhalte nicht auf dem normalen, und schon jetzt oft genutzten und existierenden Rechtsweg, aus dem Netz entfernt werden können. Ursprünglich war vorgesehen, dass das BKA von keiner Seite kontrolliert werden sollte. Auch hier konnten wir erreichen, dass das BKA einem Kontrollgremium unterstellt wird. So bekommt das BKA keine ausufernden Mehrbefugnisse und eine Sperrung von Internetseiten außerhalb des Bereichs Kinderpornographie kann durch die Kontrolle des BKA weiter verhindert werden. Dennoch nehme ich die Kritik des Datenschutzbeauftragten Schaar, dem die Kontrolle des BKA auferlegt wurde, sehr ernst. Herr Schaar monierte, dass seine Behörde nicht der geeignete Ort für dieses Kontrollgremium sei. Hier gilt es, eine tragbare Lösung zu finden.
Natürlich ist das Internet nicht der einzige Ansatzpunkt im Kampf gegen Kinderpornographie. Die Erstellung und Verbreitung von kinderpornographischem Material muss umfassend bekämpft werden. Der Gesetzentwurf wird der gesamten Materie Kinderpornographie und Kindesmissbrauch nicht gerecht. In der Vergangenheit hat das staatliche Vorgehen gegen Kinderpornographie im World Wide Web Erfolge gebracht. Kinderpornographische Angebote wurden aufgespürt, ihre Entfernung verfügt und Strafverfahren eingeleitet. Und es gibt das Mittel der richterlichen Sperrverfügung, mit dem Internet-Zugangs-Anbieter gezwungen werden können, durch technische Maßnahmen den Zugang ihrer Kunden zu bestimmten Internetangeboten zu verhindern. Dieses Mittel soll weiterhin angewendet und schneller eingesetzt werden. Deutlich ist jedoch auch, dass mit den sich rasch entwickelnden technischen Möglichkeiten und der kriminellen Energie der Täter neue Handlungsfelder im Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern entstanden sind und angegangen werden müssen. Der Kampf gegen Kinderpornographie und Ausbeutung von Kindern darf jedoch nicht bei den gesetzlichen Regelungen im Internet stehen bleiben. Wir brauchen und fordern einen nationalen Aktionsplan auf allen Ebenen sowie die bessere Ausstattung aller zuständigen Behörden mit Personal und Sachmitteln.
Mit freundlichen Grüßen
Thea Dückert