Frage an Thea Dückert von Sebastian N. bezüglich Finanzen
Thema: Pendlerpauschale - Werkstorprinzip nicht im Abgeordnetengesetz?
Sehr geehrte Frau Dückert,
warum ist das Werkstorprinzip der Entfernungspauschale mit Ausschluss der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel unter 20km Arbeitsweg nicht auch auf die Kostenpauschale nach dem Abgeordnetengesetz bzw. die Freifahrtberechtigung in öffentlichen Verkehrsmitteln angewandt worden (insbes. § 12 und § 16 AbgG)?
Selbst wenn die Freifahrtberechtigung in öffentl. Verkehrsmitteln im Grundgesetz geregelt ist - die Kostenpauschale hätte doch dementsprechend gekürzt werden müssen, wenn es denn finanzpolitisch so wichtig war, diese Subvention abzuschaffen.
M.E. ist die Kostenpauschale aber zum 1.1.07 unverändert geblieben.
Das ausstehende Urteil des BVerfG wird doch wahrscheinlich, wie schon öfter, eine mögliche Verfassungswidrigkeit nur mit Wirkung für die Zukunft entscheiden, weil der Bund (mal wieder) mit Budgetproblemen argumentiert.
In der Folge werden Abgeordnete vom 1.1.2007 bis zu einer gesetzlichen Neuregelgung (Frist wohl wieder 2 Jahre nach BVerfG-Urteil) besser gestellt als normale Steuerzahler.
Wie beurteilen Sie diese Ungleichbehandlung?
Sehr geehrter Herr Nowak,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben zu den Themen Entfernungspauschale und Amtsausstattung für Abgeordnete.
Zunächst zur Entfernungspauschale:
Es ist unbestreitbar, dass die Anforderungen der modernen Arbeitswelt eine immer höhere Mobilität und Flexibilität der Bürgerinnen und Bürger einfordern. Andererseits ist es aber dringend nötig, Subventionen und staatliche Vergünstigungen abzubauen und eine ökologische Steuerungsfunktion wahrzunehmen.
Insoweit halten wir es grundsätzlich für richtig, dass auch und gerade bei der Entfernungspauschale Abstriche vorgenommen werden. Die Entfernungspauschale fördert Zersiedelung und Flächenverbrauch, sie gibt Anreize für immer längere Pendeldistanzen. Dies führt zu höheren Belastungen für unsere Verkehrssysteme und damit die Umwelt.
Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, ob die Wahl des Wohnortes und damit der Pendeldistanz zum Arbeitsort nicht in erster Linie eine private Entscheidung ist und daher außerhalb staatlicher Steuerungsmechanismen liegen sollte. Das teurere, aber verkehrsgünstige Wohnen innerhalb der Stadt wird ja auch nicht steuerlich gefördert.
Wir begrüßen daher im Prinzip die Kürzung der Entfernungspauschale. Die Streichung nur für Entfernungen bis 20 km halten wir allerdings für falsch. Ähnliches hatte unter Rot-Grün bereits der damalige Bundesfinanzminister Eichel vorgeschlagen, was wir Grüne seinerzeit verhindern konnten. Es ist problematisch und ungerecht, ausgerechnet weite Entfernungen besonders zu begünstigen. Damit werden gerade diejenigen benachteiligt, die nahe an ihrem Arbeitsplatz wohnen und damit die Verkehrssysteme und unsere Umwelt weniger belasten.
Wir haben stets für eine einheitliche Entfernungspauschale auf niedrigerem Niveau plädiert, die für jeden Verkehrsträger und jeden zurückgelegten Kilometer gleich hoch wäre. Diese Lösung wäre einfach und praktikabel. Zwischen den Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bestand in der vergangenen Wahlperiode Einigkeit darüber, die Entfernungspauschale auf einheitlich 15 Cent pro Kilometer zu senken. Wir halten eine solche lineare Kürzung fiskalisch und ökologisch für vernünftig und werden uns weiterhin dafür einsetzen.
Die Streichung der ersten 20 km in der Pendlerpauschale war ein steuerpolitischer Sündenfall von CDU/CSU und SPD. Die Ungleichbehandlung von kurzen und weiten Wegen zum Arbeitsplatz kann nicht verfassungsgemäß sein. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung (Az.VI B 42/07) vom 6.September 2007 verfassungsrechtliche Bedenken an der derzeitigen Ausgestaltung der Pendlerpauschale veröffentlicht. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Kürzung der Pendlerpauschale in dieser Art verfassungsgemäß ist, teilte der Bundesfinanzhof mit. Damit bestätigte der BFH eine Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichts, das ein Finanzamt zur Eintragung des vollen Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte eines Klägers verpflichtet hatte.
Es ist zu begrüßen, dass die Entscheidung des BFH bereits jetzt dazu führt, dass wieder alle Entfernungskilometer als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden können. Außerdem sollen die Steuerbescheide 2007 in Bezug auf die Pendlerpauschale vorläufig sein. Damit wurde die drohende Einspruchsflut abgewendet.
Damit ist es aber nicht getan: Rund 11 Mio. Bürgerinnen und Bürger sind von der verfehlten Kürzung der Pendlerpauschale betroffen. Sie brauchen jetzt Rechtssicherheit durch eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung, wie ihre Fahrkosten zur Arbeit ab dem ersten Kilometer steuerlich anerkannt werden. Angesichts der offenkundigen Verfassungswidrigkeit der Streichung der ersten 20 Entfernungskilometer kann es nicht sein, dass der Bundesfinanzminister Steinbrück das Problem auf dem Rücken der Steuerpflichtigen aussitzt und weiter auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wartet. Denn dem Bundesverfassungsgericht liegt die Pendlerpauschale zwar bereits zur Prüfung vor, eine Entscheidung wird allerdings noch weiter auf sich warten lassen.
Die Entfernungspauschale muss deshalb nach unserer Auffassung noch in diesem Jahr verfassungskonform und aufkommensneutral neu geregelt werden. Sie soll ab dem ersten Entfernungskilometer einheitlich 15 Cent pro Entfernungskilometer betragen und damit für jeden Verkehrsträger und für jeden zurückgelegten Kilometer gleich hoch sein. Wir werden uns in jedem Fall weiter dafür einsetzen!
Zum Status und der Bezahlung von Abgeordneten wird auf der Homepage des Bundestages zutreffend erläutert:
"Abgeordnete werden nicht wie Arbeitnehmer oder Beamte bezahlt, sondern sind Inhaber eines öffentlichen Amtes. Das muss so ausgestaltet sein, dass es jeder unabhängig von seiner individuellen Lebenssituation ausüben kann. Es gilt das Prinzip des chancengleichen Zugangs zum Abgeordnetenmandat. Das meist als Hauptberuf wahrgenommene Amt des Parlamentariers muss finanziell also so ausgestattet sein, dass es für alle offen steht: sowohl für bisher abhängig Beschäftigte als auch für Selbstständige oder Freiberufler. Da die Effizienz parlamentarischer Arbeit zunehmend davon abhängt, dass Abgeordnete aus allen Bereichen der Gesellschaft mit ihren Fachkenntnissen zur Verfügung stehen, sollte es auch für besser Verdienende nicht mit zu großen Verlusten verbunden sein, sich für das Amt als Abgeordneter zu bewerben. Die Entschädigung muss daher für alle Abgeordneten gleich sein, ihre Unabhängigkeit sichern und eine Lebensführung gestatten, "die der Bedeutung des Amtes angemessen ist". Das hat das Bundesverfassungsgericht 1975 verbindlich festgelegt und das wurde mit dem Abgeordnetengesetz von 1977 umgesetzt. Grundsätzlich gilt, dass alle gewählten Abgeordneten in der Lage sein sollen, möglichst effektiv ihre vielseitigen Aufgaben zu erfüllen."
Mit freundlichen Grüßen
Thea Dückert