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Thea Dückert
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Frage von Ulrike R. •

Frage an Thea Dückert von Ulrike R. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dückert,

ich leide u.a. nachgewiesen an MCS (Multiple chemicle Sensitivity) also an einer Umwelterkrankung. D.h. ich bin Mehrfachallergikerin. U.A. kann ich keine - sprich wirklich keine - Medikamente nehmen. Es wurde während eines Krankenhausaufenthaltes in Damp in der vorletzten Woche erneut ein Medikament für meine Erkrankung (nicht MCS) ausprobiert und ich bekam wieder einen Allergieschock.

Nun bin ich seit einigen Jahren Patientin der Umweltmedizinischen Abteilung Fachkrankenhaus Nordfriesland in Bredstedt/SH. Dort werden MCS Erkrankte (es ist das einzige Krankenhaus mit 7 Betten für ganz Deutschland) behandelt. Es gibt mittlerweile ca. 50.000 nachgewiesen erkrankte Menschen.

Ich erhalte über diese Klinik ein Rezept über Vakzine die ich mir dann zu Hause spritzen muss. Dadurch werden die Auswirkungen der Allergien und Unverträglichkeiten gemindert, jedoch selten ganz behoben.

Nun verweigert die Krankenkasse (BEK) die Übernahme der Kosten für diese Medikamente.

Man verweist auf den Gesetzgeber (Gesundheitsministerium). Es gäbe innerhalb der Richtlinien keine Möglichkeit die Kosten zu übernehmen. Ich (wir) sind auf Dauer chronisch erkrankt und in den meisten Fällen kommt eine Krankheit dazu die eigentlich mit Schulmedizin behandelt werden müsste, jedoch wegen der Allergien nicht möglich ist. Durch das Spritzen der Vakzine kann es aber dazu kommen, dass man ein Medikament zumindest für einen Zeitraum vertragen kann.

Die Vakzine kosten zwischen 100,00 und 150,00 EUR und fallen bei mir max. 1x pro Jahr an.

Ich selbst bin wegen dieser und weiteren Erkrankungen nur teilweise arbeitsfähig und arbeite auf 400 EUR- Basis. Den Rest erhalte ich über ALG II. Auch von dort erhalte ich keine Bezuschussung.

Dies zur Vorabinformation.

Nun zu meinen Frage:

Wie stehen die GRÜNEN und Sie zu dem Thema Umwelterkrankung? Was denken Sie zu tun damit die Krankenkassen die Kosten ganz oder teilweise übernehmen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Ruge,
da ich weder Ärztin noch Pharmazeutin bin und auch nicht weiß, welche Impfstoffe Sie bekommen, muss ich über die Gründe, weshalb Ihre Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert, ein wenig spekulieren. Ich vermute folgenden Hintergrund:
Arzneimittel erhalten nur dann eine Zulassung, wenn vorab in Klinischen Studien ihre Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen wurde. Dabei gilt die Zulassung nur für die Behandlung der Krankheiten, für die sie auch getestet wurden. Hier liegt vermutlich das Problem mit dem Impfstoff, den Sie erhalten. Seine Zulassung erstreckt sich wahrscheinlich nicht auf die Behandlung von MCS. Solche Fälle kommen bei vergleichsweise seltenen Erkrankungen häufig vor. Da sich für die Pharma-Industrie die teuren Arzneimittelstudien nur dann lohnen, wenn sich für das getestete Arzneimittel nach seiner Zulassung auch viele Abnehmer finden, fehlt es für viele seltene Krankheiten an erprobten Arzneimitteln. In diesen Fällen werden Präparate, die sich bei der Behandlung bewährt haben, häufig außerhalb ihrer Zulassung eingesetzt. Man spricht hier vom „Off-Label Use“. Das Bundessozialgericht hat vor zwei Jahren in einem Urteil festgestellt, dass sich die Leistungspflicht der Krankenkassen grundsätzlich auf die in der Arzneimittelzulassung genannten Anwendungsgebiete beschränkt. Allerdings hat das Gericht auch Ausnahmen formuliert:
Der „Off-Label Use“ kommt in Betracht, wenn es sich um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handelt, keine anderen Therapien verfügbar sind und wenn aufgrund der Datengrundlage die Aussicht besteht, dass mit dem Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Für eine Leistungspflicht müssen alle drei Bedingungen erfüllt sein. Die Ausnahmen sind also so weit formuliert, dass eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse durchaus möglich wäre. Allerdings sind sie auch nicht so dicht, dass für die Betroffenen ein sicherer Rechtsanspruch besteht. Diese Rechtsunsicherheit wird von Krankenkassen gerne genutzt. Viele Betroffene legen Widerspruch gegen den Bescheid ihrer Krankenkasse ein und gehen – wenn ihr Widerspruch erfolglos bleibt – auch vor die Sozialgerichte. Damit sind sie vielfach auch erfolgreich. Trotzdem ist das Ganze auch aus politischer Sicht unbefriedigend. Die ständige Rechtsunsicherheit, die sich mit dem „Off-label-use“ für alle Beteiligten verbindet, ist aus rechtsstaatlicher und sozialstaatlicher Sicht nicht hinnehmbar. Das heißt: Grundsätzlich ist es richtig, dass Arzneimittel vor ihrer Zulassung auf ihre Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit getestet werden. Andernfalls würden Arzneimittel-Skandale an der Tagesordnung sein. Andererseits muss aber sichergestellt sein, dass auch für seltene Erkrankungen ausreichend getestete Arzneimittel und Impfstoffe bereit stehen. Für sinnvoll halten würden wir Grünen die Einrichtung spezieller Kompetenzzentren für „Off-Label“-Tests, in denen das Wissen um die Anwendbarkeit von Arzneimitteln auch außerhalb ihres Zulassungsgebiets gesammelt wird. Dies hätte auch direkte Auswirkungen auf die Stärke der Rechtsposition der Patientinnen und Patienten und damit die Leistungspflicht der Krankenkassen. Darüber hinaus wird man aber auch über Anreize für die Arzneimittelindustrie reden müssen. Zum Beispiel über finanzielle Zuschüsse für Studien, in denen Arzneimittel für die Behandlung seltener Erkrankungen erprobt werden. Ich hoffe, dass ich die Hintergründe, die zum abschlägigen Bescheid Ihrer Krankenkasse geführt haben, richtig vermutet habe. Sollte sich aus dem Schriftwechsel mit Ihrer Kasse aber entnehmen lassen, dass ich „auf dem falschen Dampfer“ bin, müssten Sie sich vielleicht noch einmal bei mir melden. Sollten Sie für sich persönlich noch eine Beratung suchen – etwa zum weiteren Umgang mit Ihrer Krankenkasse -, wenden Sie sich am besten an die Deutsche Gesellschaft Multiple-Chemical-Sensitivity (DGMCS) e.V. in Bayreuth.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Thea Dückert