Frage an Tabea Rößner von Verena R.
Das EEG 2016 sieht einen Ausbaukorridor mit Maximalzahlen für EE vor. Wie passt dieser zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung bzw. zum 1,5 Grad-Ziel aus Paris?
Bürger waren bis jetzt überzeugt von der Energiewende und möchten gerne in ihrem Umfeld EE produzieren und konsumieren. Das EEG sieht dafür keine Möglichkeiten vor bzw. Strom der aus Ausschreibungen gefördert wird, darf gar nicht in der Nähe oder selbst verbraucht werden. Das benachteiligt z.B. Mieter und KMU. Wie stehen Sie dazu?
Viele Studien zeigen, dass eine dezentrale Energiewende leichter umsetzbar, kostengünstig und besser akzeptiert ist. Das EEG 2016 geht den zentralisierenden Weg. Warum?
Warum gibt es immer noch keine angemessene CO2-Abgabe? Damit bräuchten die EE eigentlich kein EEG mehr.
Sehr geehrte Frau Ruppert,
vielen Dank für Ihre Mail vom 15. Juni 2016 und entschuldigen Sie bitte meine verspätete Antwort. Ich teile Ihre Kritik an der am 8. Juli 2016 im Bundestag verabschiedeten EEG Novelle.
Zu Frage 1: In der Tat hat die Klimaschutzkonferenz von Paris einen klaren Handlungsauftrag formuliert. Alle Länder müssen ihre Anstrengungen für den Klimaschutz erheblich verstärken, um den weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Diesem Signal müssen gerade im Energiewendeland Deutschland nun Taten folgen, denn der CO2-Ausstoß in Deutschland ist im Jahr 2015 gegenüber den Vorjahren sogar gestiegen. Es sind daher zusätzliche Anstrengungen bei der Umsetzung der Energiewende erforderlich – dies dient auch der deutschen Wirtschaft und der regionalen Wertschöpfung. Die Große Koalition tut das Gegenteil. Sie hat 8. Juli 2016 für eine Energiewende-Bremse gestimmt. Mit dem Ausbremsen der Erneuerbaren sichert Schwarz-Rot wider aller klimapolitischen und ökonomischen Logik Kohlestrom weitere Jahre die Vorherrschaft auf dem deutschen Strommarkt.
Zu Frage 2: Die Nutzung von Eigenstrom sowie Mieterstrommodelle wird immer stärker eingeschränkt, zugleich aber Subventionen für Kohlekraftwerke eingeführt. Diese rückwärtsgewandte Weichenstellung entzieht der Energiewende die breite Akzeptanz und unterminiert die Investitionsbereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, Hausbesitzern und vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen, die auf die Nutzung erneuerbarer Energien setzen. Das ist angesichts der zukünftigen Herausforderungen fatal. Zusammen mit meiner Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere ich den Wegfall der sogenannten „Sonnensteuer", der EEG-Umlage auf eigenverbrauchten Strom aus Erneuerbaren Energien. Wir wollen stattdessen den Eigenstrom aus schmutziger konventioneller Energieerzeugung mit der vollen EEG-Umlage belasten.
Zu Frage 3: Ich befürchte, dass die Ausschreibungen künftig vor allem den großen Energiekonzernen nutzen werden. Das macht den Ausbau Erneuerbarer nicht kostengünstiger, sondern nur zentralistischer. Ein Ausbau in den Händen weniger großer Unternehmen würde sich auch negativ auf die Wertschöpfung in den Gemeinden auswirken. Dabei müssen gerade kleinere Akteur*innen der Bürgerenergie sicher planen können. Sie können sich teure Vorentwicklungen von Standorten nur leisten, wenn sie sicher sind, dass sie die Anlage am Ende auch bauen können. Das Risiko, den Zuschlag in einer Ausschreibung nicht zu bekommen, ist für viele der entscheidende Grund, von der Investition ganz abzusehen. Zu Recht wehrt sich die Bürgerenergie dagegen und gründet gemeinsame Interessensverbände, Netzwerke und Stromvertriebsunternehmen. Aber der Aufbruch in eine grüne Stromwelt und wirksamer Klimaschutz gelingen nur, wenn überall in Deutschland die Zahl der Bürger*innen wächst, die selbst Strom und Wärme erzeugen.
Zu Frage 4: Eigentlich soll der Emissionshandel für einen angemessenen CO2-Preis sorgen. Der Emissionshandel funktioniert allerdings bisher nicht. Auf internationaler Ebene ist eine Reform des Emissionshandels deshalb dringend nötig, um den Ausstoß von CO2 zu verteuern und dadurch zu mindern. Dazu reicht es nicht, 900 Millionen Emissionszertifikate vorübergehend vom Markt zu nehmen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sondern es müssen dauerhaft zwei Milliarden Zertifikate herausgenommen werden. Die Marktstabilitätsreserve müsste schon dieses Jahr eingeführt werden, um parallel zur Stabilisierung des Zertifikatepreises zu sorgen. Ergänzend muss ein EU-weiter CO2-Mindestpreis eingeführt werden, untermauert durch einen nationalen Mindestpreis. Dieser soll 2017 bei 17 Euro pro Tonne CO2 liegen und in der Folge jährlich um einen Euro je Tonne ansteigen. Ob ein höherer CO2-Preis bzw. eine CO2-Abgabe allerdings das EEG überflüssig machen würde, müsste sich erst noch zeigen. In einem Energiesystem, welches ausschließlich auf Erneuerbaren Energien basiert, würden sich bei dem aktuellen Strommarktdesign die fluktuierenden Erneuerbaren Energien Wind und Photovoltaik regelmäßig die Preise verderben und damit eine Finanzierung der Anlagen schwer möglich machen. Ob sich dieses Problem mit dem Einsatz von ausreichend Energiespeichern von selbst lösen würde, können wir heute noch nicht absehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position und die meiner Fraktion darlegen und danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihr Engagement.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner