Warum führt Deutschland nicht das in Dänemark etabliert MitID-System ein?
Sehr geehrte Frau Rößner,
Sie sind Digitalisierungsexpertin. Daher habe ich folgende Frage: In Dänemark nutzt man erfolgreich seit vielen Jahren so gut wie keine Papierdokumente mehr. Stattdessen ist man auf das MitID-System umgestiegen, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/MitID In Dänemark gibt es daher praktisch keine Papierdokumente, so gut wie keinen Briefverkehr und keine Behördengänge mehr. Durch MitID sind Steuer-, Behörden- und Gesundheitssystem unter einem digitalen Dach vereint. Auch Privatunternehmen nutzten MitID. Warum führt Deutschland nicht nach dänischem Vorbild MitID ein? Das System funktioniert, ist seit Jahren getestet, erfüllt die höchsten Sicherheitsstandards und hat in Umfragen sehr hohe Zufriedenheitswerte. In Dänemark kann man sich von dem System bei Bedarf gegen Gebühr freistellen lassen; dann werden einem Dokumente ausgedruckt und per Snailmail auf Papier zugestellt, was aber nur sehr wenige Dänen beantragen.
Mit freundlichen Gruessen
A. R.
Sehr geehrter Herr R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Der Blick auf unsere europäischen Nachbarn wie Dänemark, aber etwa auch Estland, ist für uns Ansporn und Maßstab zugleich. Die Besuche etwa des Ausschusses für Digitales in Estland sind wichtige Gelegenheiten, um über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Digitalisierung des Staates den eigenen Horizont zu erweitern. Selbstverständlich ist auch die papierlose Verwaltung ein Ziel grüner Digitalpolitik - angesichts des demographischen Wandels braucht es einen proaktiven, effizienten digitalen Staat. Zugleich wollen wir niemanden zurücklassen - der Staat muss also, wie in Dänemark, für jeden Menschen erreichbar bleiben.
Mit der BundID, der eAkte, der eID des Personalausweises etc. gibt es Infrastruktur und Basisdienste, die teils bereits bestehen und es auszuweiten gilt. Hier hängt es aus unserer Sicht nicht an technischen Hindernissen, die es durch die Übernahme des dänischen Modells zu überwinden gilt, sondern vor allem an mangelnder politischer Priorisierung in der Vergangenheit, dem falschen legislativen Rahmen in Kombination mit schlechten Managementstrukturen sowie, in Bezug auf die Verbreitung und Akzeptanz in der Bevölkerung, auch einem fehlenden Fokus auf User Experience und öffentlicher Kommunikation.
Mit dem Onlinezugangsgesetz überarbeiten wir derzeit den regulatorischen Rahmen der Digitalisierung im föderalen System. In den bestehenden, engen verfassungsrechtlichen Grenzen setzen wir dabei unter anderem auf Nutzungsfreundlichkeit, besseres Monitoring und Evaluation für eine effektivere Steuerung sowie auf Open Source für eine einfachere Nachnutzbarkeit. Zudem hat der Bundestag dem Innenministerium Mittel für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt, um die Bevölkerung über digitale Angebote zu informieren. Der erneuerte Rahmen ist ein erster Schritt, nun muss mit angemessener Priorität der weitere Ausbau des digitalen Staats erfolgen - in Bund, Länder und Kommunen.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner