Wann setzen Sie sich für Tiere ein?
Sehr geehrte Frau Rößner.
Langsam verzweifle ich. Lebende Tiertransporte und auch Kastenstände und vieles andere in der Landwirtschaft sind nicht mehr zeitgemäß. So viele Menschen, die sich vegetarisch und vegan ernähren. Das sind doch alles Zeichen. Ich weiß gar nicht mehr wie viele Petitionen ich unterschreiben muss. Ich bin ein treuer Grüne-Wähler, aber im Tierschutz passiert mir zu wenig. Demeter Tiere dürfen nur auf Demeter Schlachthof geschlachtet werden..... hunderte km weit weg. Es muss was passieren. Auf den Schlachthöfen ist die Kontrolle durch Veterinäre viel zu schlecht. Schlachtung vor Ort müssen doch vereinfacht werden und der Tierschutz durch hohe Strafen belegt.
Was wird von Ihnen voran getrieben?
Wann kämpfen Sie für den Tierschutz in der Landwirtschaft? Und wann wird der Begriff Nutztiere geändert?
Liebe Grüße
Marion B.
Sehr geehrte Frau B.,
in diesem Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz – seit 2002 ist darin auch der Schutz der Tiere als Staatsziel festgelegt. Doch zwischen dem Auftrag des Grundgesetzes und der Wirklichkeit klafft bislang eine erhebliche Lücke. Das Leid der landwirtschaftlich genutzten Tiere ist nur eines von vielen eindrücklichen Beispielen dafür. Missstände zu beheben und Lücken in der Gesetzgebung zu schließen, ist unser Anspruch. Aktuell laufen die parlamentarischen Beratungen zur Tierschutzgesetzreform auf Hochtouren und es ist unser Ziel, weitere Missstände konsequent zu bekämpfen.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung haben wir uns auf konkrete Vorhaben zur Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland geeinigt. Die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung von tierischen Produkten, wie letztes Jahr vom Bundestag beschlossen, war nur ein erster Schritt. Zusätzlich überarbeiten wir die Tierschutznutztierhaltungsverordnung für einzelne Tierarten, um auch hier Verbesserungen zu erzielen.
Ende Mai dieses Jahres hat das Bundeskabinett mit der Novelle des Tierschutzgesetzes nun auch eine der umfangreichsten Reformen des Tierschutzrechts in Deutschland seit über 20 Jahren beschlossen und dem Bundestag vorgelegt. Denn es ist Zeit für ein modernes Tierschutzgesetz, das Tiere wirklich schützt.
Gern gehe ich auf die von Ihnen angesprochenen Defizite beim Tierschutz ein und wie diese durch die Novellierung des Tierschutzgesetzes geändert werden sollen:
Aktuell gibt es keine verpflichtende Videoüberwachung in Schlachtbetrieben. Sie soll den Behörden künftig dabei helfen, systemische Mängel im Schlachtprozess (z.B. mangelhafte Betäubungsgeräte) aufzudecken. Eine Videoaufzeichnung muss die Tiere und die jeweils mit den Tieren arbeitenden Personen unter anderem bei der Schlachtung, Entladung und Betäubung in angemessener Weise erfassen.
Die Sanktionen für tierschutzrechtliche Verstöße werden verschärft und Tierquälerei / Tiermisshandlung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Diese fügen sich damit in das Gesamtgefüge des Strafrechts ein. Eine Mindestfreiheitsstrafe ist derzeit noch nicht vorgesehen. Zum einen werden die Bußgeldsummen (von 5.000 auf bis zu 10.000 € bzw. von 25.000 auf bis zu 50.000 €) erhöht und zum anderen ist § 17 erweitert worden, u.a. sind die Versuchsstrafbarkeit, die leichtfertige Begehung (besonders hoher Grad von Fahrlässigkeit) und ein Qualifikationstatbestand eingeführt worden. Dazu zählen Gewinnsucht, Misshandlung einer großen Zahl von Tieren und die beharrliche Wiederholung einer Handlung.
Zudem wird ein Betretungs- und Überwachungsrecht der zuständigen Veterinärbehörden in Tierkörperbeseitigungsanlagen eingeführt, um Tierschutzverstöße effizienter ahnden und zu den Tierhaltungsbetrieben rückverfolgen zu können. VTN-Kontrollen und Tierkörper-Kennzeichnungspflichten gelten neben Rinder- und Schweine- nun auch für Schafe-, Ziegen- und Einhufer- (Pferde-, etc.) -haltende Betriebe.
Das ist eine Win-Win-Win-Situation für Vollzugsbehörden, gute landwirtschaftliche Tierhalterinnen und Tierhalter sowie für den Tierschutz. Studien zeigen (https://www.tiho-hannover.de/universitaet/aktuelles-veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/untersuchungen-an-verendeten-getoeteten-schweinen-in-verarbeitungsbetrieben-fuer-tierische-nebenprodukte), wie wichtig Kontrollen an Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte sind. Die Befunde, die bei sogenannten Falltieren gestellt werden können, geben Aufschluss über die Bedingungen in den Haltungsbetrieben. Die Behörde kann so mehrere Betriebe quasi an einem Ort in den Tierkörperbeseitigungsanlagen kontrollieren und muss nur anlassbezogene Kontrollen bei den Tierhaltungs-Betrieben vor Ort durchführen. Diese Neuerung wird also die Veterinärbehörden entlasten und Tierschutzkontrollen effizienter machen, und damit Bürokratie abbauen. Außerdem werden dadurch „Schwarze Schafe“ besser erkannt für zielgerichtete Vor-Ort-Kontrollen. Gleichzeitig werden Betriebe mit guter Tierhaltung nicht unnötig häufig kontrolliert und dadurch entlastet, was den Mehraufwand bei guter Betriebsführung für tierhaltende Betriebe reduzieren wird.
Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Tiertransporten ist die geltende Rechtslage die, dass es innerhalb der EU eine vollharmonisierte, europaweit geltende Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport (sog. EU-Tiertransport-Verordnung) gibt, die es den Mitgliedsstaaten untersagt eigene, davon abweichende Regelungen zu Tiertransporten zu treffen. Deshalb setzen wir uns als Grüne in der EU für "eine deutliche Reduzierung von Lebendtiertransporten, eine Begrenzung der Langstreckentransporte auf maximal acht Stunden und ein Ende von Tiertransporten in Drittstaaten außerhalb des Schengen-Raums" ein.
Mit einer öffentlichen Debatte über diese Änderungen des Tierschutzgesetzes verschaffen wir dem Thema hoffentlich eine entsprechende gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die auch die Länder zum Handeln und Verbesserung des Vollzugs motiviert. Geplant ist das Gesetz im September in den Bundestag einzubringen. Seien Sie am Ende meiner Antwort noch mal versichert, dass auch wir als Grüne Bundestagsfraktion uns an vielen Stellen mehr beim Thema Tierschutz wünschen würden. Innerhalb einer Koalition aus drei Parteien ist eine Kompromissfindung nicht immer einfach. Wir sind bei den Verhandlungen stets die Fraktion, die sich am tiefgreifendsten für das Wohl der Tiere einsetzt.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner