Selektion mit „Aussonderung“ ist immer noch ein Prinzip institutioneller Bildung. Wie möchten Sie gegen diese Verschwendung von Ressourcen und Demütigung von Menschen vorgehen?
Einerseits leidet die deutsche Wirtschaft unter einem massiven Fachkräftemangel, der durch Zuwanderung behoben werden soll (= Abwerben von Menschen aus dem Ausland bei gleichzeitiger Schwächung der dortigen Wirtschaft), und andererseits beenden immer noch viele Menschen in Deutschland ihre Schullaufbahn ohne Abschluss und mit einer in der Schule erworbenen Abneigung gegen lebenslanges Lernen. Dies wiederum bedeutet eine Belastung der Sozialkassen und fördert sozialer Spannungen aufgrund der Blockade sämtlicher gesellschaftlicher Aufstiegschancen.
Ein Verzicht auf das radikale Ausleseprinzip könnte das wirtschaftliche Problem teilweise und das menschliche sehr stark lösen: Wie sehen Sie das?
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre weitere Frage. Ich teile Ihre Kritik an unserem Bildungssystem. Ein gutes Bildungssystem ist der zentrale Schlüssel für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft. Viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland immer noch von der Familie, dem Namen oder dem Stadtviertel ab statt von den eigenen Fähigkeiten. Gesellschaft und Wirtschaft brauchen die Ideen und die Kraft aller jungen Menschen. Darum wollen wir unsere Kitas, Schulen, Berufsschulen und Hochschulen besser machen. Sie sollen von der Kita bis zur Weiterbildung allen gleiche Chancen auf ein gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Dafür steht grüne Bildungspolitik.
Ein buntes und modernes Land braucht die Talente und Ideen aller jungen Menschen. Wir wollen ein Bildungssystem, das von der Kita bis zur Uni allen Mut macht und die Chance gibt, ihre Potenziale und Fähigkeiten zu entfalten, egal woher sie sind oder wie dick der Geldbeutel der Eltern ist. Wir wollen einen Aufbruch zu einem Schulsystem, das Lernverweigerung und Schulabbrüche genauso verhindert wie prekäre Arbeitsbedingungen. Zu guten und modernen Schulen gehören für uns genügend Fachkräfte in multiprofessionellen Teams, anregende Räume und Schulhöfe, gesundes Mittagessen und enge Zusammenarbeit mit Sportvereinen oder Musikschulen. Kinder und Jugendliche sollen mehr Zeit und weniger Druck beim Lernen haben, um sich gut entwickeln zu können.
Die Pandemie hat uns deutlich gezeigt, wie wichtig gute Kitas, Schulen und Hochschulen sind, um allen jungen Menschen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Wir wollen, dass Bund, Länder und Kommunen Bildungsgerechtigkeit endlich gemeinsam umsetzen.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner