Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jens B. •

Frage an Tabea Rößner von Jens B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Rößner,

Es ist nun wirklich kein Geheimnis, dass die Kirche den systematischen Missbrauch vertuschen möchte. Die Aufarbeitung ist nicht wirklich glaubwürdig, wenn man bedenkt das eine Studie aus dem Jahr 2013 von den katholischen Bischöfen gestoppt wurde (Quelle: https://www.sueddeutsche.de/panorama/querelen-um-forschungsprojekt-kirche-stoppt-aufklaerung-des-missbrauchsskandals-1.1568320 )

Bei der MHG Studie (2018) wurde von der Kirche eine Vorabzensur betrieben, indem sie selbst entscheiden durfte, welche Akten freigegeben werden. (Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/katholische-kirche-missbrauchsstudie-soll-die-bevoelkerung-ruhigstellen-a-1230018.html )

Ich würde Sie bitten nun folgende Fragen zu beantworten:

1) Warum räumt man der Kirche volle Autonomie in der Strafverfolgung ein? Ist nach Ihrer Auffassung der Begriff „Paralleljustiz“ angemessen?

2) Warum wird die Staatsanwaltschaft nicht tätigt und beschlagnahmt die Kirchenarchive?

3) Was werden Sie persönlich tun, um die Aufklärung voranzutreiben?

Mit freundlichen Grüßen

Jens Bartlog

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

zunächst einmal danke ich Ihnen für Ihr Interesse und Ihr Engagement. Es ist wichtig, dass die Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche wie auch in anderen Institutionen allumfänglich aufgeklärt werden. Auch für meine Fraktion wie Partei ist es unabdingbar, die systematisch aufgetretenen Missbrauchsfälle innerhalb kirchlicher Institutionen aufzuklären und die Verantwortlichen in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung zu ziehen sowie die Opfer zu entschädigen. Wichtig ist dafür vor allem eine ergebnisoffene Untersuchung der Vorgänge, frei von Zensur- oder Kontrollbestreben der Kirche. Gegenteilige Ambitionen sind zu verurteilen und missachten die Schicksale jener, die bis heute unter den Folgen leiden.

Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche über viele Jahrzehnte ist erschütternd. Es ist zu unzähligen Fällen sexualisierter Gewalt gekommen. In vielen dieser Fälle liegen schwere Straftaten vor. Wir fordern daher ganzheitliche Aufklärung der Missbrauchsfälle sowie der Vertuschungsversuche. Angemessene Entschädigungen für die Opfer sind ein wichtiger Teil des Prozesses und werden bisher nur unzureichend geleistet. Essenziell ist zudem, dass die Kirche die inneren Strukturen bekämpft, die Missbräuche und deren Vertuschung begünstigen und aktiv Strukturen schafft, die diese verhindern. Dafür setzen ich mich auch weiterhin ein.

Wo der Verdacht auf mögliche (nicht-verjährte) Straftaten besteht, muss die Staatsanwaltschaft selbstverständlich und sofort eingeschaltet werden. Die Bearbeitung allein durch die kirchlichen Gremien und Stellen ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Eine Paralleljustiz für Straftaten darf es nicht geben. Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass Bistumsarchive über Aktenbestände verfügen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar Straftaten dokumentieren, die noch nicht verjährt sind. Bei ausreichender Beweislage müssen in all diesen Fällen Ermittlungen aufgenommen werden.

Das Strafrecht allein reicht aber für die Aufarbeitung nicht aus. Zur Aufdeckung der Strukturen, die den systematischen Missbrauch ermöglicht haben, ist durch den Staat eine unabhängige Kommission einzurichten. Dieser sind sämtliche Akten und Archive zugänglich zu machen, die sich im Besitz der Kirche befinden und zur Aufarbeitung der Vorwürfe von Bedeutung sind. Die Regierungen des Bundes und der Länder müssen sicherstellen, dass die Bischöfe, Ordensgemeinschaften und alle weiteren kirchlichen Stellen umfassend mit der Kommission kooperieren. Diese muss sich auch verjährten Fällen und anderen Gewalttaten, die nicht strafrechtlich aufgearbeitet werden können, annehmen.

Die Kommission muss bis 2020 eine Studie vorlegen, die die Rolle der Bistümer und ihrer Archive klärt. Schwierigkeiten bei der Materialsichtung müssen dokumentiert werden. Die unabhängige Kommission, gegebenenfalls auch die Ermittlungsbehörden, müssen dem Vorwurf nachgehen, dass Akten manipuliert und / oder vernichtet wurden, um auf diese Weise Personen im Dienst der Katholischen Kirche vor der Strafverfolgung zu schützen. Es ist ein Verzeichnis der Akten anzufertigen, die vernichtet oder manipuliert wurden. Hier steht der Verdacht der Strafvereitelung mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe im Raum.

Solange die Vorwürfe gegen die Katholische Kirche nicht umfassend aufgearbeitet sind, sollten die Vertreterinnen und Vertreter der Katholischen Kirche in Kommissionen zur Jugendhilfe ihre Mandate ruhen lassen.

Es soll ein unabhängig arbeitender Entschädigungsfonds eingerichtet werden, der aus kirchlichen Mitteln finanziert wird. Der Fonds hat sicherzustellen, dass die Opfer sexuellen Missbrauchs unabhängig von Verjährungsfristen durch eine einfache Plausibilitätsprüfung ihrer Ansprüche eine Entschädigung erhalten. Zu tragen sind die Heil- und Krankenbehandlungen (auch Psychotherapie bei psychischen Schäden), Rentenleistungen, Fürsorgeleistungen und bei Bedarf besondere Hilfen im Einzelfall. Das betrifft Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Pflege, zur Weiterführung des Haushalts sowie ergänzend zum Lebensunterhalt. Auch Rehabilitationsmaßnahmen wie beispielsweise Kuraufenthalte sollen vom Fonds übernommen werden. Wir fordern eine schnelle und unbürokratische Hilfe für die Opfer.

Die Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch sind zu verlängern. Opfer leiden häufig ihr ganzes Leben unter den Taten und sind oft erst nach Jahrzehnten in der Lage auszusagen.

Für diese Forderungen setze ich mich in meiner Fraktion, im Dialog mit den kirchlichen Institutionen und den Opferverbänden ein. Eine Kommission zur Aufarbeitung wird aufgebaut und auch wenn im Hintergrund viel auf den Weg gebracht wird, verständlicherweise wird nicht alles öffentlich kommuniziert, sind wir in der Fraktion derzeit in der Abstimmung darüber, wie wir unseren Forderungen mehr Nachdruck verleihen können.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

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