Frage an Tabea Rößner von Klaus P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Rößner,
am vergangenen Donnerstag hat die AfD-Fraktion den Abbruch einer Sitzung des Bundestages erlangt, da die Geschäftzsordnung zuvor nicht eingehalten worden war.
Sie haben dies, laut Presseberichten, als "absurdes Theater" bezeichnet.
Warum ist es für Sie absurd, wenn jemand auf Einhaltung von Regeln besteht?
Wenn sich an Regeln nicht gehalten wird oder werden braucht, dann braucht man keine Regeln.
Ist die Geschaäftsordnung, die sich die Abgeordneten auch noch selber gegeben haben, für sie Bindend oder eher so eine Art "unverbindliche Empfehlung" an die sich nicht gehalten werden muss?
Wenn nicht die AfD, sondern eine anderen Fraktion die Einhaltung der Geschäftsordnung gefordert hätte, hätten Sie das auch als "absurdes Theater" bezeichnet?
Mit freindlichen Grüßen
P.
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich will Ihnen kurz antworten, warum es in meinen Augen ein absurdes Theater war.
Was viele nicht wissen - und auch die AfD-Vertreterinnen und Vertreter offenbar nicht: Der Bundestag ist ein Arbeitsparlament und kein Präsenzparlament. Das heißt, dass wir an den Präsenztagen anwesend in den Bundestagsgebäuden sein müssen, aber nicht unbedingt im Plenarsaal. Denn wir würden unsere Arbeit überhaupt nicht schaffen, wenn wir die ganze Zeit im Plenarsaal sitzen würden. Das werden auch die Vertreterinnen und Vertreter der AfD merken, sobald sie in Ausschüssen sitzen und fachpolitische Arbeit machen - sofern sie die denn überhaupt machen wollen.
Die Plenardebatten finden meistens ab Mittwochs 13 Uhr statt (vormittags tagen viele Ausschüsse) und Donnerstags können sie von morgens 9 Uhr locker bis nachts 2 oder 3 Uhr gehen. Selten auch noch länger. Und am Freitag startet die Debatte dann auch wieder um 9 Uhr. Parallel zur Bundestagsdebatte finden häufig andere Termine statt, u.a. auch Ausschüsse. Der Kultur- und Medienausschuss beispielsweise hat in den vergangenen Legislaturperioden immer Mittwochnachmittags getagt wie auch der Ausschuss Digitale Agenda, Sportausschuss und zahlreiche Unterausschüsse etc.. Zeitgleich war dann aber schon Plenum. Nun können auch wir Abgeordnete uns leider nicht zwei- oder vierteilen - was aber manchmal wirklich notwendig wäre...
Außerdem sind die Wege im Bundestag weit. Mein Büro zum Beispiel liegt 15 Gehminuten weg vom Reichstagsgebäude. Um anwesenden Abgeordneten, die ihr Büro nicht im Paul-Löbe-Haus oder JKH haben, die Möglichkeit zu geben, an der Abstimmung im Plenarsaal teilzunehmen, wird beim Hammelsprung - der ja plötzlich ausgerufen wird - mit der Eröffnung der Abstimmung in der Regel 15 Minuten gewartet. Auch das bemängelten die AfD-Vertreter.
Und weil es um keine inhaltliche Frage ging - es ging nur um die Überweisung eines Antrags in die Ausschüsse, die überhaupt nicht strittig war -, und die AfD-Vertreterinnen und Vertreter der Überweisung ja auch zugestimmt haben, war das ganze schon ziemlich absurd. Normalerweise nutzen Fraktionen das Instrument des Hammelsprungs bei knappen Mehrheitsverhältnissen.
Natürlich kann jede Fraktion die Geschäftsordnung nutzen und ausreizen, das ist ihr gutes Recht. Dafür haben wir ja Regeln geschaffen, und dafür gibt es auch den Hammelsprung. Ich darf dann hinterher aber auch sagen, dass das Ganze ein absurdes Theater war. Das ist Meinungsfreiheit, der sich die AfD ja auch verschrieben hat.
Ich biete regelmäßig Berlinfahrten an und zeige den Besucherinnen und Besuchern, wie der Bundestag arbeitet, wie die Abläufe sind und die Wege. In meiner Arbeitswoche kommen da locker 70 bis 80 Stunden zusammen. Ich stehe jedenfalls immer gerne persönlich Rede und Antwort. Jeder kann sich also informieren und an einer solchen Fahrt teilnehmen. Jedenfalls kann jede Abgeordnete zu diesen Fahrten einladen.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner