Frage an Tabea Rößner von Günther S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo, Tabea!
Wie die taz heute berichtet, will die große Koalition ihre Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung nicht nur morgen, also am Donnerstag, 01.06.2017 in 2. und 3. Lesung im Bundestag beschließen.
Das Grundgesetz soll bereits weniger als 24 Stunden später, am Freitag, 02. Juni 2017 endgültig vom Bundesrat abschließend geändert werden. Die Grundgesetzänderung wird dafür per Bote vom Bundestag in den Bundesrat überbracht und in der laufenden Sitzung auf die Tagesordnung gehoben. Das ist wirklich unglaublich. Denn schließlich handelt es sich um die größte Grundgesetzänderung seit der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006.
Als Grüner Beigeordneter in NW bitte ich Dich, ALLES MÖGLICHE zu unternehmen, dass diese Gesetzesänderung nicht zustande kommt! Wenn die GRÜNEN da zustimmen, trete ich aus der Partei aus.
Gruß, Günther Scherer
Lieber Günther,
vielen Dank für Deine Mail!
In der Tat ist hier, wie Du richtig bemängelst, vor allem das Verfahren skandalös! Eine der größten Grundgesetzänderungen seit 10 Jahren wird in aller Eile durchgedrückt, ohne dass es ausreichend Zeit für parlamentarische Beratungen gegeben hat - und das obwohl seit langem fest stand, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt werden müssen. Zentrale Themen, wie der demographische und sozialräumliche Wandel wurden erst gar nicht angegangen. Und bei anderen Themen blockieren die Regierungskoalitionen eine Einigung mit dem vorgeschobenen Argument, dass es zu kurzfristig sei. Siehe gerade bei dem Thema Ehe für Alle.
Wir haben uns trotz allem eingehend inhaltlich mit den Themen befasst. Wir haben im Plenum über 13 Grundgesetzänderungen (plus eine von uns beantragte 14. zur Abschaffung des Kooperationsverbotes) abgestimmt. Bei der Bundesfernstraßengesellschaft, der Gemeindeverkehrsfinanzierung sowie Bildung in Kommunen haben wir Änderungsanträge vorgelegt; außerdem gibt es einen umfassenden Entschließungsantrag, der unsere Kritik bündelt (BT-Drs. 18/12598, siehe hier: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/125/1812598.pdf ).
Dass eine Einigung erreicht wurde, ist unseres Erachtens grundsätzlich zu begrüßen: Bund und Ländern brauchen dringend Planungssicherheit. Allerdings greifen die 13 Grundgesetzänderungen massiv in die bestehende föderale Ordnung ein: Der Finanzausgleich zwischen den Ländern wird abgeschafft, das verändert den Charakter der föderalen Solidarität. Die reicheren Länder werden von der Reform mehr profitieren als die ärmeren Länder, damit wird eine weiter wachsende Disparität der Lebensverhältnisse in Kauf genommen.
Wir haben uns daher schlussendlich dazu entschieden, dagegen zu stimmen.
Ich hoffe, ich konnte Dir unsere Befassung und Positionierung erläutern!
Herzliche Grüße
Tabea