Frage an Tabea Rößner von Martin B. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Rößner!
Ich wende mich an Sie mit elementaren Fragestellungen zum Versorgungsausgleich. Ich bitte Sie vorab, dass Sie mir auf meine Fragen nicht nur pauschale Hinweise, z.B. „der Versorgungsausgleich baue auf Solidaritäts- und Versicherungsprinzip auf“ oder „Er sei insgesamt kostenneutral!“ geben.
Meine Fragen:
Wie viel nehmen Staat und Versorgungsträger jährlich durch Versorgungsausgleichsabzug ein und wieviel zahlen Sie aus?
Was macht der Staat und Versorgungsträger mit diesen Einnahmen?
Warum gibt es keine automatische Pflicht für die Sozialversicherungen, im Falle des Todes des Leistungsberechtigten im Versorgungsausgleich den Leistungsverpflichteten zu informieren. Wird ein Antrag auf Einstellung des Versorgungsausgleichs durch den Leistungsverpflichteten bei Vorliegen der Voraussetzungen gestellt, wird der Abzug nur ab Zeitpunkt des Antrags eingestellt und nicht rückwirkend zurückerstattet.
Warum muss ich als ehemaliger Berufssoldat auf Grund der Besonderen Altersgrenze bei Anwendung der zeitratierten Berechnungsmethode monatlich mindestens 5% mehr im Versorgungsausgleich bezahlen als vergleichbare Beamte bei Anwendung der Altersgrenze müssen und das noch 5 Jahre länger als dieser Personenkreis?
Warum werden mir als aus „Strukturgründen“ aus der Bundeswehr entlassener „Struktursoldat“ die Vorteile des Attraktivitätssteigerungsgesetzes mit dem Aussetzen des Abzugs des Versorgungsausgleichs bis zum Erreichen der Besonderen Altersgrenze vorenthalten?
Warum bin ich als „Struktursoldat“, der seit den 90er Jahren mit meiner Familie die Last ständiger Umstrukturierungen der Bundeswehr mit Standortauflösungen und Versetzungen getragen hat, ab 2012 die Bundeswehr auf Wunsch und Betreiben des Dienstherrn verlassen hat nun ab 2015 nicht mehr in der Zielgruppe der Verbesserung der Soldatenversorgung gehört?
Mit freundlichen Grüßen
Martin Brohl
Sehr geehrter Herr Brohl,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zu einem schwierigen Thema. Ich will gerne versuchen, sie zu beantworten – fürchte jedoch, dass ich Ihnen einige „pauschale Hinweise“ in Form von grundsätzlichen Erwägungen zu Sinn und Unsinn der angesprochenen Regelungen nicht ersparen kann.
Aus Ihren ersten drei Fragen lese ich heraus, dass Sie unzufrieden sind, weil Sie den Eindruck haben, mehr Geld für den Versorgungsausgleich einzuzahlen, als Ihrer geschiedenen Frau tatsächlich ausgezahlt wird. Diese Unzufriedenheit ist persönlich verständlich – sie beruht aber auf einem grundsätzlichen Missverständnis: Das gesamte deutsche Rentensystem (und damit auch der Versorgungsausgleich) funktioniert nicht nach dem „eins-zu-eins Prinzip“, demzufolge jeder genau das ausgezahlt bekommt, was eingezahlt wurde. Und das hat einen guten Grund. Denn dann könnte beispielsweise der Fall eintreten, dass jemand mit 86 vielleicht alles, was er an Rentenbeiträgen eingezahlt hat, schon ausgezahlt bekommen hat. Und dann? Soll er dann keine weitere Rente mehr bekommen? Oder, ein Beispiel mit geschiedenen Berufssoldaten: Angenommen, Ihr geschiedener früherer Kamerad stirbt mit 58 plötzlich an einem Herzinfarkt, seine geschiedene Frau erreicht aber das gesegnete Alter von 105 Jahren. Wer finanziert dann die Versorgung der geschiedenen Frau? Sie sehen: Es ist unmöglich, individuelle Lebens- und Rentenverläufe präzise vorherzusehen. Und deshalb kann das ganze System nur dann funktionieren, wenn Einzahlungen und Auszahlungen gerade nicht eins zu eins aneinander gekoppelt sind, wenn stattdessen Reserven aufgebaut werden und eine solidarische Umlage erfolgt. Die Frage, ob das, was Sie einzahlen, aktuell auch tatsächlich ausgezahlt wird, geht deshalb aus meiner Sicht nicht ganz in die richtige Richtung.
Eine andere Frage ist, ob die Art und Weise, in der berechnet wird, was jeder und jede einzelne zu diesem solidarischen System beizutragen hat, gerecht ist. Stichwort: zeitratierte Berechnungsmethode, Ihre dritte Frage. Sie werden sicher wissen, dass im Vorfeld der Verabschiedung des Attraktivitätssteigerungsgesetzes tatsächlich über eine Reform der Berechnung debattiert wurde, die sich dann aber nicht durchgesetzt hat, weil dies zu sehr zu Lasten der Leistungsberechtigten gegangen wäre. Stattdessen hat die Bundesregierung zwei andere Möglichkeiten gewählt, den Nachteil auszugleichen, den geschiedene Berufssoldaten gegenüber anderen BeamtInnen haben: Zum einen erfolgt die Kürzung des Ruhegeldes um den Versorgungsausgleich nun erst ab Erreichen der Altersgrenze für PolizeivollzugsbeamtInnen. Zum anderen wurde die Hinzuverdienstgrenze ebenfalls bis zu dieser Altersgrenze aufgehoben. Dadurch befinden sich pensionierte Berufssoldaten nun in der – wie ich finde: doch nicht unkomfortablen – Situation, dass Sie zusätzlich zu ohnehin oft vergleichsweise hohen Ruhestandsbezügen für einige Jahre Geld hinzuverdienen dürfen, ohne hierbei Abzüge von der Pension hinnehmen zu müssen.
Die für Ihren persönlichen Fall wohl alles entscheidende Frage lautet, weshalb die Bundesregierung Soldaten, die das Angebot wahrgenommen haben, die Bundeswehr im Zuge der Strukturreform vorzeitig zu verlassen, nicht von den Neuregelungen des Attraktivitätssteigerungsgesetzes profitieren lässt. Leider kann ich als Angehörige der kleinsten Oppositionsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihnen gerade hierzu keine Antwort geben, ich verstehe es ebenso wenig und kenne die Motivation der Bundesregierung nicht. Daher muss ich Sie in dieser Fragen an die Bundesregierung bzw. meine KollegInnen aus den Koalitionsfraktionen verweisen.
Ich hoffe, Ihnen trotzdem ein wenig weitergeholfen zu haben.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner