Frage an Tabea Rößner von Markus K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Rößner,
leider haben Sie es bisher noch nicht geschafft, zwei offene Fragen
von vor ca. 5 Monaten zu beantworten:
http://www.abgeordnetenwatch.de/tabea_roessner-778-78423--f426769.html#q426769
und
http://www.abgeordnetenwatch.de/tabea_roessner-778-78423--f427070.html#q427070
Vielleicht möchten Sie dies ja noch nachholen?
Mit freundlichen Grüßen
Markus Korte
Sehr geehrter Herr Korte,
vielen Dank für Ihre Mail vom März 2015 bzw. Oktober 2014 und bitte entschuldigen Sie vielmals die verspätete Antwort.
Ich möchte Ihnen zunächst kurz den Hintergrund des Finanzierungsmodells erläutern: Die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks basiert auf einem Solidarmodell, zu dem alle finanziell beitragen - unabhängig davon, ob und wie sie das Angebot persönlich nutzen. Man kann hier den Vergleich zu etwa der Kurtaxe ziehen, die auch jeder Urlauber und jede Urlauberin zahlen muss, die eine Ferienwohnung oder einen Campingplatz mietet – unabhängig davon, ob sie das Angebot vor Ort nutzen oder nicht. Nur durch diese solidarische Finanzierung ist es möglich, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen und auch Sendungen oder Filme für Minderheiteninteressen zu produzieren, die nicht dem Massengeschmack entsprechen und die sonst aus Kostengründen nicht realisierbar wären.
Sicherlich hat der neue Rundfunkbeitrag seine Schwächen, wenn er z.B. auch unseres Erachtens zu wenig Ausnahmen in Härtefällen zulässt. Allerdings – und das ist und wird von uns kritisiert – können die Landesparlamente diese Staatsverträge nur als Ganzes zustimmen oder ablehnen und keine Änderungsvorschläge mehr machen. Wir haben uns als grüne Bundestagsfraktion im Ergebnis dann für dieses neue Modell ausgesprochen, da es unseren Vorstellungen einer grünen Mediengebühr, die wir bereits vor Jahren eingebracht haben, sehr nahe kommt. Ein Wechsel war dringend nötig, denn die alte Rundfunkgebühr pro Gerät passte nicht zur Entwicklung der Technik. Es wird immer schwieriger zwischen Gerätearten zu unterscheiden und festzustellen, ob sie Rundfunk empfangen können oder nicht, exemplarisch hierfür sind Smartphones.
Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag sieht nun statt der bisherigen Gebühr einen Beitrag pro Wohnung vor. Grundlage des Beitrags pro Wohnung ist die Überlegung, dass der Abgabentatbestand das Programmangebot ist - und nicht der tatsächliche Programmempfang. Damit zahlt auch jede und jeder den gleichen Beitrag. Das bedeutet, wer bislang nur ein Radio besessen hat, muss nun mehr zahlen. Wer allerdings bislang als unverheiratetes Paar in einer Wohnung zweimal gezahlt hat, muss nun nur noch einmal zahlen.
Zudem besitzen lediglich weniger als ein Prozent aller Haushalte in Deutschland weder Radio noch Fernseher. Es ist daher zwar für die sehr wenigen Betroffenen ungerecht, aber für die Allgemeinheit ist es unbürokratischer und damit kostensparender, ein vereinfachtes System einzuführen. Wenn sich einzelne Haushalte, die kein Gerät haben, befreien könnten, wären die Datenschutzprobleme weiterhin nicht behoben: Die GEZ müsste dann weiterhin in den Wohnungen nach einzelnen Geräten fahnden. Nach dem neuen Modell ist aber spätestens an der Haustür Schluss. Befreiungen aus sozialen Gründen (zum Beispiel Arbeitslosengeld II-Empfänger) sind wie bislang möglich. Selbständige, die ihr Büro mit einem weiteren Rundfunkempfangsgerät in der Privatwohnung haben, zahlen dafür zukünftig nicht nochmals. Das ist zu begrüßen, wir haben das bei den so genannten „kleinen Selbständigen“ immer gefordert.
Wir setzten uns dennoch weiterhin dafür ein, dass befreit werden muss, wer aus finanziellen Gründen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mitfinanzieren kann. Wir fordern, dass nicht nur bei einem Arbeitslosengeld II-Bescheid, sondern auch in besonderen Härtefällen von der Gebührenpflicht befreit werden muss. Dies soll auch der Fall sein, wenn kein Behördenbescheid vorgelegt werden kann, das verfügbare Einkommen oder die Rente aber unterhalb der Armutsgrenze liegt. Zudem sollen Menschen mit Behinderungen nur ein Drittel des Beitrags zahlen. Gleichzeitig soll das barrierefreie Angebot der Rundfunkanstalten für Menschen mit Behinderung verbessert werden.
Sie sehen, wir haben die Menschenrechte im Blick und setzen uns auch weiterhin dafür ein. Was einerseits wie eine Ungerechtigkeit aussehen kann, stellt sich unter einem anderen Blickwinkel vielleicht aber gerade als solidarisch und den Menschenrechten förderlich heraus. So erscheint es mir auch hier, wenn man die Motivation und Begründung eines Solidarmodells genau betrachtet.
Ich hoffe, ich konnte Sie mit meinen Ausführungen auch ein wenig für diesen gemeinnützigen Gedanken dieses öffentlich finanzierten Rundfunkmodells begeistern und versichere Ihnen, dass wir weiterhin die Schaffung von Befreiungen, vor allem aus finanziellen Gründen, aus vollem Herzen unterstützen werden.
Herzliche Grüße
Tabea Rößner