Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolfgang D. •

Frage an Tabea Rößner von Wolfgang D. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Rößner,

mit großer Besorgnis stelle ich fest, daß Sie bei allen Abstimmungen den Rettungsmaßnahmen für verschuldete EU-Länder zustimmen.
1. Sind Sie sich der finanziellen Tragweite Ihres Verhaltens bewußt?
2. Haften Sie mit Ihrem Privatvermögen, falls die Sache schiefgeht?
3. Glauben Sie, daß Ihre Wähler Sie für derart weit reichende Entscheidungen bevollmächtigt haben?

Mit großer Sorge
Wolfgang Daniel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Daniel,

Vielen Dank für Ihre Anfrage zu meinem Abstimmungsverhalten bei den Rettungsmaßnahmen für verschuldete Euro-Länder.

Sie fragen, ob ich mir der finanziellen Tragweite bewusst bin. Ja, mir ist klar, dass Deutschland haftet und das finanzielle sowie politische Risiko sehr groß ist. Es ist mir aber ebenso bewusst, dass ein Verweigern der Hilfe zu einem noch größeren Risiko - finanziell, politisch und sozial - führen wird.

Bei der aktuellen Entscheidung am 30.11.2012 habe ich der Verschiebung der Defizitziele von 2014 auf 2016 und der Bereitstellung von 10,2 Milliarden Euro zugestimmt. Eine Insolvenz des Landes durch eine Verweigerung der Hilfen wäre gerade in der derzeitigen Situation verhängnisvoll und würde zu noch größeren sozialen Verwerfungen führen. Viel zu lange haben sich führende Politiker der Eurozone - allen voran Bundeskanzlerin Merkel - nicht klar und deutlich zu dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone bekannt. Gleichzeitig führten die radikalen Sparmaßnahmen Griechenland in eine tiefe Rezession. Es ist richtig, Griechenland zwei Jahre mehr Zeit zu geben, um die Defizitziele zu erreichen. Dies war übrigens von Anfang an eine Forderung meiner Fraktion, Griechenland mehr Zeit zu geben.

Den ESM und den Fiskalpakt habe ich mit meinem Abstimmungsverhalten auch mitgetragen. Der ESM stabilisiert den Euro und bringt eine wesentliche Neuerung: Eine geordnete Insolvenz von Staaten. Er schafft klare Regeln für Finanz-Notfälle. Die Euro-Länder zahlen zwar tatsächlich Kapital in Form einer Bareinlage ein und geben nicht nur Garantien aus. Das ermöglicht aber, zu sehr guten Konditionen Kredite am Markt aufzunehmen und sie an Länder zu niedrigeren Zinsen weiterzureichen. Für Deutschland ergibt der Fiskalpakt keine Verschärfung der gesamtstaatlichen Defizitziele, da im Rahmen des präventiven Arms der europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes bereits heute ein mittelfristiges Haushaltsziel von maximal 0,5% des strukturellen gesamtstaatlichen Defizits besteht.

Zu Ihrer nächsten Frage: Mit meinem persönlichen Vermögen hafte ich im Rahmen der allgemeinen Steuerpflicht, gemeinsam mit allen Steuerzahlerinnen und -zahlern. Da selbst das Bundesverfassungsgericht den Beitritt Deutschland zum ESM und dem Fiskalpakt genehmigt hat, sehe ich keine grob fahrlässige Handlung meinerseits.

Zu Ihrer dritten Frage: Der Bundestag ist das richtige Verfassungsorgan für diese weitreichenden Entscheidungen. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine demokratische Kontrolle über den Bundestag eingefordert. Im Vorfeld zum ESM-Vertrag sahen wir die Informations- und Mitwirkungsrechte des Parlaments verletzt. So haben wir mit einer Klage in Karlsruhe entscheiden lassen, ob auch Anbauten, also Verträge zwischen EU-Staaten wie der EFSF, an die EU-Verträge unter Art. 23 GG fallen. Das Urteil hat die Rechte des Parlaments gestärkt. Die Risiken der Hilfsprogramme müssen offengelegt werden und die Politik muss offen kommunizieren. Verschleierungen im Sinne von "Das wird den Steuerzahler nichts kosten", zerstören das Vertrauen in die Politik. Hilfsprogramme dürfen nicht an demokratisch nicht legitimierte Institutionen wie die Europäische Zentralbank verschoben werden. Die EU darf nicht zu einem Gebilde der Exekutive mit einem schwachen Europaparlament verkommen.

Die EU hat in der Vergangenheit Frieden und Wohlstand gebracht und selbst heute in der Krise profitiert unsere Volkswirtschaft von diesem gemeinsamen Weg. Doch der Weg der Europäischen Union hin zu einer Solidargemeinschaft ist noch weit. Er wird noch Entscheidungen erfordern, bei denen wir auf nationale hoheitliche Befugnisse verzichten müssen. Das tragen wir mit, denn wir sehen die Zukunft Europas nicht in möglichst starken Nationalstaaten, sondern in einer starken Wirtschafts- und Solidarunion, in der aufeinander abgestimmte Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Sozialpolitik möglich wird.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

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