Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jonathan O. •

Frage an Tabea Rößner von Jonathan O. bezüglich Kultur

Sehr geehrte Frau Rößner,

eben bin ich auf einen Beitrag des NDR zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gestoßen, infolge dessen riesige Mengen an wichtigem, teilweise auch wieder aktuellen Informationsmaterial "depublizier" werden mussten. Warum?
Ist die Lobby der privaten Medien so stark, dass sie das Grundrecht auf Information und die Grundidee des Internets ad absurdum führen kann und die Politik das auch noch duldet? Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender, die schließlich durch den Steuer- und Gebührenzahler finanziert werden, haben in dieser Hinsicht doch eine besonders bedeutende Funktion.
In dem Beitrag wurde von den Verlagen auch kritisiert, dass Informationssendungen wie beispielsweise die "Tagesschau" nach der Ausstrahlung online verfügbar sind. Dieser Service ist für mich (und ich denke für viele andere Studenten oder Berufstätige auch) aber sehr hilfreich. Schließlich können wir unsere Vorlesungen oder Arbeitszeiten nicht nach Belieben so legen, dass wir rechtzeitig vor dem Fernseher sitzen. Trotzdem will ich die Möglichkeit haben, mich aktuell zu informieren und bei Bedarf auch mal eine ältere Thematik noch einmal aufzuarbeiten. Besonders letzteres scheint mir durch das Gesetz eigentlich unmöglich gemacht. Wo kommen wir denn hin, wenn Information nur noch gegen Entgelt zu haben ist? Sie ist doch auch die Grundlage für politische Partizipation.
Sehen Sie als Journalistin und Mitglied des Medienausschusses zukünftig eine Chance, diesen Vertrag zu revidieren?

Ich freue mich auf Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen, Jonathan Oppen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Oppen,

vielen Dank für Ihre Frage zum Online-Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Bündnis 90/Die Grünen haben sich stets für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingesetzt und wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet sein muss. Das bedeutet für mich: ARD, ZDF und das Deutschlandradio müssen ihre Gebührenzahler- und zahlerinnen auch über das Internet mit Inhalten erreichen. Das Internet als dritte Säule sollte meines Erachtens fest neben Radio und Fernsehen etabliert werden.

Ich bin der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für alle da sein muss, die dafür Gebühren zahlen. ARD und ZDF dürfen auch deshalb nicht von den neuen Verbreitungsformen und den neuen Medien ausgeschlossen werden, weil sie gerade junge Zuschauerinnen und Zuschauer zunehmend auf diesem Weg erreicht.

Die Regelungen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Online-Bereich auferlegt wurden (festgehalten im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag), halte ich für zu restriktiv.

Ursache für die Regelung ist eine Rüge der deutschen Privatrundfunksender bei der EU-Kommission in Brüssel, die im Online-Angebot von ARD und ZDF eine Marktverzerrung und unzulässige Beihilfe sahen. Die EU-Kommission hat daraufhin 2007 den sogenannten Brüsseler Beihilfekompromiss mit den Ministerpräsidenten geschlossen. Dieser wurde im 12. Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt und Deutschland hat sich dazu bereit erklärt, neue Online-Angebote vorab durch ein neues Verfahren zu genehmigen. Im sogenannten Drei-Stufen-Test müssen die Inhalte auf ihren Auftrag, ihren Beitrag zum publizistischen Wettbewerb und die Auswirkungen auf den Wettbewerb geprüft werden.
Leider schießen die beschlossenen Formulierungen weit über die Zusagen an die Kommission hinaus. Sie verbieten beispielsweise einige Online-Inhalte, ohne dass diese geprüft werden müssen. Die relativ enge Umsetzung ist im Interesse von Verlagen und Privatrundfunksender, die eine noch restriktivere Umsetzung gefordert hatten. Wir Grüne haben uns für eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Zusagen aus dem Brüssler Kompromiss ausgesprochen. Beispielsweise haben wir uns gegen das pauschale Verbot von "elektronischer Presse" ausgesprochen, weil unter die Definition "elektronische Presse" jedes Online-Angebot fallen kann. Auch eine gesetzliche Beschränkung des Online-Angebots auf Sendungsbezug und sieben Tage Abrufbarkeit halten wir für nicht förderlich. Das ist der Grund, warum Sendungen, die in den Bereich Unterhaltung fallen (wie z.B. der Tatort) nur eine Woche lang online verfügbar sind.

Wir halten die Regelung, das komplette bestehende Angebot der Mediatheken dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen, für völlig unangemessen. Damit wurde den Öffentlich-Rechtlichen ein Berg Arbeit aufgeladen, der nur mit zusätzlichen MitarbeiterInnen abgetragen werden konnte. Das Programm wurde dadurch nicht besser, aber teurer.
Leider kann ich als Mitglied im Medienausschuss des Bundestages keine Änderung des Vertrags bewirken. Rundfunkpolitik liegt in der Hoheit der Länder. Bei der Rundfunkpolitik, also auch der Gestaltung der Rundfunkstaatsverträge, hat der Bundestag kein Mitspracherecht. Dieses Verfahren haben wir immer kritisiert und mehr Mitspracherecht der Parlamente bei der Ausgestaltung gefordert.

Auch die Mitglieder der Landesparlamente können über den Antrag lediglich abstimmen, haben aber keine Möglichkeit der Mitgestaltung. Das ist Verhandlungssache der Ministerpräsidenten.

Ich hoffe Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

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