Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Friedemann K. •

Frage an Tabea Rößner von Friedemann K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Rößner,

Aufhänger meiner Frage sind die aktuellen Vorgänge im Hinblick auf die am 21. Oktober bekannt gewordene Verurteilung des Mainzer Oberbürgermeister Beutel wg. Untreue zu 80 Tagessätzen Geldstrafe.

Ich hoffe Sie stimmen mir zu, dass von Inhabern wichtiger politischer Funktionen, insbesondere wenn diese in ihrem Amt durch unmittelbare Wählerentscheidungen legitimiert sind, ein Katalog von Erwartungen und Verhaltensstandards abverlangt werden können sollte, zu denen nicht zwingend Verhaltensweisen gehören, die zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen Untreuehandlungen zum Nachteil stadteigener Gesellschaften und stadteigenen Vermögens führen.

Wäre es in einer derartigen Situation nicht mehr als angemessen, den Souverän entscheiden lassen zu können, also die Herrn Beutel vor geraumer Zeit gewählt habenden wahlberechtigten Mainzer Bürger, ob der Oberbürgermeister weiterhin sein Amt ausüben soll angesichts der Vorfälle? Die Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz ermöglicht ja durchaus die Einleitung eines derartigen Bürgerentscheids über die Abwahl eines OB.

Zwar bin ich nicht so naiv zu verkennen, dass die von den Oppositionsparteien im Mainzer Rat bereits angekündigte Einleitung eines derartigen Abwahlverfahrens - http://www.cdu-mainz.de/joomla/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1 – durchaus auch parteitaktische Hintergründe haben dürfte. Als Bürger dieser Stadt wäre mir die Motivlage der jeweiligen Fraktionen allerdings relativ egal, da ich es von überragender Wichtigkeit halte, angesichts des Fehlverhaltens des OB das Wahlvolk entscheiden lassen zu können.

Finden Sie, gerade auch als Ratsmitglied in Mainz, dass die Ermöglichung einer Abstimmungsmöglichkeit über die Frage, ob ein verurteilter OB weiterhin erster Vertreter der Stadt sein sollte, eine so herausragende Bedeutung hat, dass auch Ihre Partei, der Formen direkter Demokratie doch eigentlich sympathisch sein sollten, einen Bürgerentscheid in dieser Angelegenheit ermöglichen sollte?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kobusch,

vielen Dank für Ihre auf Abgeordnetenwatch.de gestellte Frage, für die ich mir ein wenig Zeit gelassen habe. Ich bitte Sie, mir dies nachzusehen. Aber ich wollte dieses Thema nicht zwischen Tür und Angel beantworten.

Ich teile Ihre Bedenken bezüglich des Vorgehens des Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutels. Ich halte es grundsätzlich für falsch, wenn Politikerinnen und Politiker aus ihren Aufgaben private Vorteile beziehen. Was jemand annimmt, darf nur der Aufgabe dienen.
Die so genannte Capri-Reise wurde strafrechtlich belangt. Aber der Komplex ist nicht nur eine Frage der Justiz, es gibt auch eine politische Verantwortung. So halte ich es für absolut falsch, wenn jemand, der in seiner Funktion als Oberbürgermeister die Aufsicht über ein öffentliches Unternehmen übernommen hat, privat mit dem gleichen Unternehmen Geschäfte wie den Bau eines Hauses abwickelt.
Mir hat auch missfallen, wie sich Herr Beutel direkt nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Koblenz verhalten hat. In seinen ersten Äußerungen erweckte er den Eindruck, als ob diejenigen Schuld seien, die drüber redeten, statt dem, der gehandelt hat. Diese Äußerungen hat er dann aber teilweise zurückgenommen.

Die grüne Stadtratsfraktion hat sich in einem intensiven Gespräch mit Herrn Beutel auseinandergesetzt und ihm deutlich gesagt , dass sie mit diesem Verhalten nicht einverstanden ist. Da ich an diesem Tag meiner Präsenzpflicht in Berlin nachkommen musste, habe ich mich anschließend an ihn direkt gewandt, ihm meine Position erörtert und ihn gebeten, noch einmal darüber nachzudenken, ob er nicht doch Konsequenzen aus dem Urteil ziehen sollte.
Den Abwahlantrag der CDU habe ich indes nicht mitgetragen – auch wenn er mir im Grundsatz sympathisch war. Abgesehen davon, dass unrichtige Aussagen in dem Antragstext gemacht wurden – was ich in einer persönlichen Erklärung im Anschluss an die Abstimmung deutlich gemacht habe , musste ich bezweifeln, dass die CDU ihr Anliegen ehrlich meinte. Wenn es der CDU wirklich ernst gewesen wäre, hätte sie für ihren Antrag geworben und die Stadträte im persönlichen Gespräch zu überzeugen versucht. Dies war aber nicht der Fall. Ich selbst habe von der Initiative nur aus den Medien erfahren. Wer es aber mit einem solchen Antrag ernsthaft meint, sollte das Gespräch suchen. Mein Eindruck, den ich insbesondere in der Diskussion über den Antrag gewann, war, dass es der CDU vor allem darum ging, die Ampel-Fraktionen zu diskreditieren und zu spalten. Im Übrigen möchte ich noch anmerken, dass es der von der CDU gestellte Geschäftsführer war, der das System der Vergünstigungen und Abhängigkeiten entwickelt hat, und auch Mitglieder der CDU von diesem System profitierten.

Die Hürde für die Abwahl eines - direkt gewählten - Oberbürgermeisters ist in Rheinland-Pfalz sehr hoch. Auch für eine größere Bürgerbeteiligung sind die Voraussetzungen in der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz sehr eng gefasst, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer kritisiert haben. So hätte es auch keine Abwahl durch die Bürgerinnen und Bürger geben können, was der konsequente Schritt in diesem Fall gewesen wäre. Denn in der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz heißt es:
„Zur Einleitung des Abwahlverfahrens bedarf es eines von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats gestellten Antrags und eines mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats zu fassenden Beschlusses. Über den Antrag auf Einleitung des Abwahlverfahrens ist namentlich abzustimmen. …. Der Bürgermeister ist abgewählt, wenn die Mehrheit der gültigen Stimmen auf Abwahl lautet, sofern diese Mehrheit mindestens 30 v. H. der Abwahlberechtigten beträgt.“ (§ 55 Abs. 1 GemO)
Diese Voraussetzungen wären nicht erfüllt worden. Eine Abwahl durch die Bürgerinnen und Bürger wird durch die Gemeindeordnung leider nicht ermöglicht.
Durch die Direktwahl hat der Oberbürgermeister eine ganz besondere Legitimität. Jens Beutel ist zweimal direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden. Beim zweiten Mal mit einer absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang. Jens Beutel ist den Bürgerinnen und Bürgern direkt verantwortlich. Wenn er, wie angekündigt, im Amt bleibt, hat er das den Menschen in Mainz zu erklären.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position hinreichend erläutern.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

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