Wie wollen Sie die 2/3-Mehrheit im Bundestag für den Erweiterungseintrag für LGBTQ in Artikel 3 Absatz 3 GG erreichen, wenn die OGRA der Pride in Deutschland die CDU/CSU ständig vor den Kopf stößt?
Guten Tag Florian S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Der Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verbietet Diskriminierung aufgrund von bestimmten Merkmalen wie etwa Geschlecht, Herkunft oder Glaube. Das Merkmal der sexuellen Identität fehlt dabei bis heute. LSBTIQ* sind die letzte vom NS-Regime verfolgte Gruppe, die noch keinen expliziten Schutzstatus im Grundgesetz hat.
Der ausdrückliche verfassungsrechtliche Schutz ist deshalb wichtig, auch damit bestimmte Errungenschaften, wie die Ehe für alle, nicht wieder zurückgedreht werden können. Die Ergänzung des Artikel 3 GG um den Begriff "sexuelle Identität" hat einen hohen Stellenwert – auch deswegen haben wir dies in den Koalitionsvertrag verhandelt.
Für eine solche Grundgesetzänderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Grüne Bundestagsfraktion ist in intensiven Verhandlungen mit den anderen Fraktionen, um den Schutz von Artikel 3 GG zu erweitern. Diese Grundgesetzänderung noch diese Legislaturperiode durch den Bundestag zu verabschieden ist uns sehr wichtig. SPD, GRÜNE und FDP haben sich bereits dafür ausgesprochen. In der Tat braucht es für die verfassungsändernde Mehrheit jedoch auch die Stimmen der Union. Unser Vorschlag erhält dabei auch aus Unionsreihen Unterstützung: Ich begrüße, dass nicht nur viele Abgeordnete der CDU/CSU, sondern auch immer mehr CDU-geführte Bundesländer wie NRW oder Berlin unsere Forderung unterstützen. In ihrem neuen Grundsatzprogramm hat die CDU auch betont, sich jeglicher Diskriminierung entgegenzustellen. Nun liegt es an Friedrich Merz und der Union, den Weg für eine Verfassungsänderung freizumachen. Die Gespräche dazu werden weitergehen.
Bundesweit finden über 140 CSDs statt, die meist ehrenamtlich von den örtlichen CSD-Vereinen organisiert werden. Die Organisator*innen entscheiden selbstständig über die Gestaltung des Programms und ihre Zusammenarbeit mit den verschiedenen Parteien. Mit ihrer Politik haben es CDU und CSU dabei selbst in der Hand, die CSD-Vereine und die Community davon zu überzeugen, dass sie an ihrer Seite stehen. Eine glaubhafte, öffentliche Unterstützung der Ergänzung von Artikel 3 würde sicherlich dazu beitragen.
Ich setze mich auch weiterhin mit aller Kraft dafür ein, dass alle Menschen unabhängig von Geschlecht und sexueller Identität selbstbestimmt und frei leben können – die Änderung des Grundgesetzes ist ein Teil davon.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann