Warum ist öffentliche Nacktheit auf dem CSD Berlin keine Straftat, wenn gleichzeitig öffentliche Nacktheit anderswo als auf einem CSD als Sexualdelikt nach § 183a StGB verfolgt wird?
Sehr geehrter Herr Lehmann,
gilt auf einem CSD-Demonstrationszug öffentliche Nacktheit nicht mehr als Sexualdelikt nach § 183a StGB Erregung öffentlichen Ärgernisses?
In diesem RBB-Livestream vom CSD Berlin des 27.07.2024 sieht man durchgängig immer wieder öffentlich nackte Menschen, gegen die wohl wirklich nicht strafrechtlich ermittelt wird:
https://www.youtube.com/watch?v=OwEY1t5SkVY
Oder ist öffentliche Nacktheit gar kein Sexualdelikt nach § 183a StGB, nicht auf einem CSD und auch nicht anderswo im öffentlichen Raum?
Wie aber lassen sich dann gelegentliche Gerichtsurteile erklären, die nichts anderes als bloße öffentliche Nacktheit als Sexualdelikt nach § 183a StGB verurteilen?
Beispiel:
Gerichtsurteil des Landgerichts Hagen, Aktenzeichen: 47 Ns-613 Js 224/15-30/16
welches öffentliche Nacktheit als Sexualdelikt nach § 183a StGB mit Freiheitsstrafe bestraft und welches öffentliche Nacktheit in sich als sexuelle Handlung nach § 183a StGB erkennt.
Guten Tag Andreas P.,
CSDs sind Orte, an denen Menschen für Vielfalt und gleiche Rechte eintreten und an denen damit auch unsere offene und liberale Demokratie verteidigt wird.
Für manche CSD-Teilnehmer*innen, aber auch anderen Menschen wie beispielsweise Anhänger*innen der Freikörperkultur, ist Nacktheit ein Ausdruck persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung. An öffentlichen Orten, an denen FKK gelebt wird, ist Nacktheit ein Teil des Verhaltenskodexes, den Besucher*innen bewusst akzeptieren, wenn sie diesen Ort aufsuchen. In diesem Kontext muss auch öffentliche Nacktheit von CSD-Teilnehmenden gesehen werden.
Nach § 183a StGB macht sich strafbar, wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt. Es braucht also eine sexuelle Handlung, die öffentlich vorgenommen wurde und durch die eine Person stark in ihrem Bedürfnis betroffen wurde, nicht unerwünscht mit sexuellen Handlungen konfrontiert zu werden.
Sexuelle Handlung wird dabei von Gerichten weit verstanden, dafür kann Nacktheit schon ausreichen. Es kommt auf einen geschlechtsbezogenen Kontext an. Wenn sich jemand einfach nur umzieht, ist das z.B. nicht der Fall. Zudem ist 183a StGB ein sogenannter Erfolgsdelikt, so dass öffentliche Nacktheit in diesem Sinne nur dann strafbar ist, wenn sich daran auch wirklich jemand erheblich stört. Strafbar ist nur eine Handlung, die auch tatsächlich zu der im Gesetz beschriebenen Folge, also in diesem Fall zur Erregung eines Ärgernisses, geführt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann