Unterstützen Sie den Antrag die AFD vom BVerfG verbieten zu lassen?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage, die zurecht gerade ausgiebig diskutiert wird.
Zunächst kann ich klar sagen: Ich werde den Antrag über die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der „Alternative für Deutschland“ unterstützen. Da es in der Konsequenz um ein Parteiverbotsverfahren geht, welches richtigerweise hohen Hürden unterliegt, möchte ich meine Entscheidung gerne begründen.
Die Grundlage der Überlegung ist der Artikel 21 im Grundgesetz. Dort ist festgehalten:
„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Sowie: „Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“
Die endgültige Entscheidung trifft also das Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt sind allerdings nur Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag. Daher kommt uns Parlamentarier*innen eine besondere Verantwortung zu. Ich muss mir die Fragen stellen:
Ist es angemessen, diese Option, die uns das Grundgesetz gibt, anzuwenden?
Aber auch: Wäre es fahrlässig, es nicht zu tun?
Dabei geht es erst einmal nicht darum, ob ich der Meinung bin, dass die Partei verfassungswidrig ist. Das liegt auch gar nicht in meinem Ermessen. Die Frage ist vielmehr, ob hinreichende Gründe dafür vorliegen, beim Bundesverfassungsgericht eine Prüfung zu beantragen.
Aus meiner Sicht sind diese Gründe vorhanden. Auch das Programm der AfD und ihr Auftreten in den Parlamenten bestärkt mich in dieser Annahme.
Des Pudels Kern ist der rassistische, ethnische Volksbegriff, der die Politik der Partei bestimmt und der mit den Prinzipien des Grundgesetzes schlicht nicht vereinbar ist. Er zielt nämlich auf die Entrechtung und Entwürdigung von Menschen ab.
Sowohl die Abgeordneten der AfD als auch ihre Anhänger versuchen jede Möglichkeit zu nutzen, politische Gegner auf unlautere Weise zu bekämpfen und die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat verächtlich zu machen. Das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt.
Auch nach den Landtagswahlen in Thüringen hat sich dieser Eindruck einmal mehr bestätigt.
Ein Verbotsverfahren zu beantragen ist kein leichtfertiger Schritt und bedeutet auch nicht, sich der politischen Auseinandersetzung zu entziehen. Es muss unabhängig davon ein politisches Umdenken stattfinden. Alle Parteien müssen sich fragen, welchen Anteil sie am Erstarken der rechtsextremen Partei haben. Insbesondere die Bundesregierung muss ihre Politik, die nicht mehr die Mehrheit der Bürger*innen im Blick hat und zu immer noch mehr Politikverdrossenheit führt, schnellstens ändern. Gegen die Spaltung der Gesellschaft braucht es eine soziale Politik und massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur – bezahlbarer Wohnraum, gute Arbeit und Bildung, gute Gesundheitsversorgung und einen ausgebauten kostenfreien Nahverkehr.
Gerade jetzt wäre es auch wichtig, die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus, Beratungen gegen Rechtsextremismus und zivilgesellschaftliche Demokratiebündnisse als Bundesregierung stärker finanziell zu unterstützen, statt ihnen die Mittel zu streichen.
Schlussendlich geht es aber darum, die Demokratie zu verteidigen, bevor es zu spät ist. Das ist eine historische Verantwortung, der ich mich stellen möchte. Erich Kästner hat es passend beschrieben:
“Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr. Das ist der Schluss, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen, und es ist der Schluss meiner Rede. Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.”
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Ferschl