Welche Ideen haben Sie, um den Tourismus in Neukölln sozialverträglich zu gestalten?
Sehr geehrte Frau Kahlefeld,
in Neukölln nimmt der Tourismus überhand. Jede Nacht ist sogar während der Pandemie bis zum Morgengrauen Lärm wie auf der Admiralsbrücke. Gefühlt gibt es in jedem Haus Ferienwohnungen, während die Wohnmieten steigen und unsere Nachbarn nach Spandau und unsere Kneipen gleich ganz verschwinden. Autos verstopfen die Straßen. Welche Ideen haben Sie und Ihre Partei, um den Tourismus sozialverträglich zu gestalten?
Sehr geehrte Frau Brinkmann,
vielen Dank für Ihre Frage! Ihre Bedenken bezüglich der Tourismus-Entwicklung in Neukölln kann ich gut nachvollziehen. Ich lebe selbst bereits seit 30 Jahren in Neukölln und habe die enorme Veränderung der letzten Jahre miterlebt. So schön es ist, dass Kneipen und Cafes entstanden sind – es ist schon seit einigen Jahren ein Zustand erreicht, der die Anwohner*innen erheblich belastet. Für meinen Bezirk wünsche ich mir eine sozial-ökologische Politik - das Thema Tourismus gehört da auch dazu.
Wir Grüne haben konkrete Maßnahmen vor, um Tourismus kiezverträglich zu machen. Wir dürfen bei den Regulierungen zugunsten der Anwohner*innen nicht vergessen, dass viele Menschen im Tourismus Arbeit haben. Hier geht es um einen Ausgleich.
So soll der neu eingesetzte bezirkliche Tourismus-Beirat das Neuköllner Tourismuskonzept aktiv begleiten und die unterschiedlichen Interessen in die Bezirkspolitik einbringen.
In Bezug auf die Gastronomie wollen wir Lösungen finden, die die Bedürfnisse der Anwohnenden respektieren und gleichzeitig auch die lokale Gastronomie unterstützen. z. B. Soll eine Erlaubnis für Außengastronomie-Flächen etwa nur erhalten, wer sich rücksichtsvoll verhält und die Ruhezeiten einhält. Bereits genehmigte Außenflächen von gastronomischen Betrieben möchten wir durch Kennzeichnungen sichtbar machen und an geeigneten Stellen von den Gehwegen auf die Straße verlagern. Dafür wollen wir Parkplätze umwidmen.
Für Kieze, wie den Reuterkiez, die durch die stetige Zunahme von gastronomischen Nutzungen und Besucher*innen stark belastet sind, verfolgen wir das Ziel, möglichst keine gastronomischen Betriebe mehr zuzulassen sondern wieder auf Gewerbedurchmischung zu setzen. Dieses Projekt wollen wir in der nächsten Wahlperiode auch auf andere Kieze ausweiten.
Party-Hostels gehören für uns Grüne nicht in Wohngebiete, schon gar nicht in ruhige Innenhöfe. In der aktuellen Wahlperiode haben wir in Neukölln klar einen Schwerpunkt auf die Ruhe der Bewohner*innen gesetzt und Hostelnutzungen in Innenhöfen konsequent einen Riegel vorgeschoben, wo immer das rechtlich möglich war. Neue Hotels und Hostels in Wohngebieten wollen wir verhindern.
Um Tourismus kiezverträglich zu gestalten, wollen wir einen Runden Tisch Reuterkiez einrichten. Dieser soll in einem Mediationsprozess mit allen Beteiligten, dem Tourismus-Beirat und der Verwaltung Problemlagen identifizieren und Lösungen, insbesondere hinsichtlich der Lärmbelästigung, erarbeiten. Erfolgreiche Maßnahmen sollen auf andere stark frequentierte Kieze (Schillerkiez, Richardkiez, etc.) übertragen werden.
Auf Landesebene haben wir mit dem Tourismuskonzept 2018+ für Berlin konkrete Ziele festgelegt. Ströme von Tourist*innen sollen stärker entzerrt werden. Berlin hat viel mehr zu bieten als Party in den Innenstadtbezirken. Deswegen wollen wir die touristische Infrastruktur außerhalb des S-Bahn-Rings stärken und mehr Aufmerksamkeit für weniger beachtete Sehenswürdigkeiten schaffen.
Wichtig wird dabei wird ein Hotelentwicklungsplan sein, mit dem wir die innerstädtischen Bezirke entlasten und eine stärkere Steuerung des Beherbergungswesens erreichen wollen. Dabei muss für neue Hotels auch die Umgebung mit betrachtet werden, um touristische und gastronomische Monostrukturen zu verhindern.Die illegale Umnutzung von Wohnraum als Ferienwohnung muss deutlich strenger kontrolliert werden.
Eine erfolgreiche Tourismuspolitik bemessen wir nicht anhand von immer höheren Besucherrekorden, sondern sie ist für uns Teil einer aktiven Stadtentwicklungspolitik, die lenkt und gestaltet.
Mit freundlichen Grüßen,
Susanna Kahlefeld