Frage an Susanna Kahlefeld von Lisa F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kahlefeld,
ich fände es spannend zu erfahren, wie Sie planen, eine Verbesserung der Lebenssituation der in Neukölln lebenden Roma voranzutreiben. Die Lebensverhältnisse vieler zugewanderter Romafamilien (zu geringer Wohnraum, schlechte finanzielle und gesundheitliche Situation usw.) war in den vergangegen Monaten immmer wieder Thema in den verschiedenen Medien.
Wie sehen Sie den Umgang der Medien mit dem Thema und welche Handlungsschritte halten Sie für eine Verbesserung der Lebenssituation der Roma im Stadtteil für erforderlich?
Mit freundlichen Grüßen,
L.F.
Sehr geehrte Frau Fleischmann,
in der Tat leben in Neukölln viele Roma und es gab eine breite Berichterstattung darüber.
Es gibt eine Menge zu tun. Dabei sind sowohl Senat als auch Bezirksamt gefragt: Vom Senat kommen derzeit zusätzliche Lehrer_innen an acht Neuköllner Grundschulen, die die Kinder auf einen erfolgreichen Schulbesuch vorbereiten, u.a. auch mit Deutschunterricht. Vom Senat wurde außerdem die "Sommerschule" finanziert, mit der an der Hans Fallada-Schule Roma-Kinder für das kommende Schuljahr fitt gemacht werden sollten. Das Jugendamt steuerte die Finanzierung für die Ausflüge bei. Es ist wichtig und richtig, dass der Senat dem Bezirk hilft und Aufgaben übernimmt, die - wie die Entsendung von sprachlich und kulturell qualifizierten Lehrern - in seine Zuständigkeit fallen. So sollte auch die zentrale Anlaufstelle für Roma, die der Verein Amaro Drom anbietet, erhalten bleiben.
Die Roma kommen legal und als EU-Bürger, sie suchen in Berlin für sich und ihre Kinder eine Zukunft: Schule, Arbeit, eine Wohnung. Man muss ihnen helfen, den richtigen Weg zu diesem Ziel einzuschlagen, sei es bei der Arbeitssuche, sei es bei der Unterstützung ihrer Kinder. Die Adolf Reichwein-Schule arbeitet schon lange und erfolgreich mit Roma-Vereinen zusammen, die ihr helfen, den Kontakt zu den Eltern herzustellen, die zumeist keinerlei eigene Erfahrung mit Schule haben. Generell kann man sagen, dass es wichtig ist, mit den Selbstorganisationen der Roma zusammenzuarbeiten, den neu Ankommenden so bald wie möglich eine Perspektive zu bieten und dabei vor allem die Kinder mit allen Anforderungen und Chancen in Schule und Kita zu integrieren. Kürzungen im Jugendhaushalt, wie sie kürzlich vom Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky vorgenommen wurden, sind verantwortungslos.
Eine besondere Gruppe unter den Roma sind die Sommerbesucher: Sie wohnen in überfüllten Wohnungen, wo sie bis zu 30 € pro Tag und Person für eine Matratze bezahlen müssen, sie arbeiten ohne Verträge für wenige Euro in der Stunde und geraten immer wieder an Arbeitgeber, die sie gar nicht bezahlen. Das Putzen von Autoscheiben ist verglichen damit natürlich die sicherere Einnahmequelle. Da Abhilfe zu schaffen ist schwierig, weil sich Armut, Ausbeutung und gegenseitige Ablehnung bedingen. Die illegalen Vermietungen müssen unterbunden werden, die Roma brauchen seriöse saisonale Verdienstmöglichkeiten, die begleitenden Kinder benötigen eine angemessene Betreuung, dürfen nicht zum Betteln mitgenommen werden und vieles mehr.
Von den Roma, die in Neukölln gut integriert leben, über ihre Kirchengemeinden gegenseitige Hilfe selbst organisieren, über die vielen Menschen, die hier ihre Chance als EU-Bürger nutzen, arbeiten, die Kinder zur Schule schicken, erfahren die Menschen über die Medien leider nicht so viel. Das wäre auch nicht nötig, wenn man nicht gerade mit den Roma so ausschließlich negative Botschaften verbinden würde.
Ich möchte Ihnen keinen Roman schreiben, sondern lade Sie ein, Ende August zum Kiez-Gespräch über die Situation der Roma in Neukölln zu kommen: Auf dem Podium Eduard George Caladaru von Amaro Drom, Bernd Szczepanski vom Nachbarschaftsheim Neukölln und Gabi Vonnekold, Jugendstadträtin. Ort und Zeit finden Sie demnächst auf http://www.gruene-neukoelln.de
Mit freundlichen Grüßen
Susanna Kahlefeld