Porträt von Stephanie Aeffner
Stephanie Aeffner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Vanessa C. •

Wie unterstützen Sie das Wohl der Tiere in Deutschland und Europa, denn der neue Gesetzesentwurf enttäuscht hier doch sehr stark uns schwächt die Schwächsten unter uns?

Porträt von Stephanie Aeffner
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau C.

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Wir haben die landwirtschaftliche Tierhaltung fest im Blick. Nach jahrelanger Hängepartie packen wir den Umbau hin zu weniger Tieren, die besser gehalten werden, endlich an. Das Maßnahmenpaket aus Tierhaltungskennzeichnung sowie baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Anpassungen wird nach und nach seine Wirkung entfalten. Ein Erfolg wird sich nicht sofort einstellen, signalisiert jedoch den notwendigen Aufbruch hin zu einer klima-, umwelt- und tiergerechteren sowie ökonomisch tragfähigen Tierhaltung, wie ihn der Wissenschaftliche Beirat (WBAE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (Borchert) und die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) empfahlen. 

In Anerkennung des Engagements von Tierhalterinnen und Tierhaltern für das Tierwohl haben wir das Tierhaltungskennzeichen verbindlich eingeführt. Das macht die Leistungen für das Wohlergehen der Tiere den Verbraucherinnen und Verbrauchern sichtbarer und gibt den tierhaltenden Betrieben Planungssicherheit beim Umbau ihrer Ställe. Hieran arbeiten wir intensiv weiter (Ausweitung auf Außer-Haus-Verpflegung, weitere Tierarten, verarbeitetes Fleisch etc.). 

Zusätzlich ist die bislang größte Bundesförderung für den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung, angefangen mit der Schweinehaltung, dieses Jahr erfolgreich gestartet und wird langfristig fortgesetzt. Das Programm fördert Investitionen in zukunftsfestere Stallbaumaßnahmen und finanziert laufende Mehrkosten einer tiergerechteren Haltung. 

Die Empfehlungen der ZKL und Borcherts, zu denen sich der Deutsche Bauernverband (DBV) bekannt hat, lauten, dass die Nutztierhaltung den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz entsprechen und wettbewerbsfähig bleiben soll. „Dazu gehören eine angepasste Förderpolitik [und] die Anhebung und Ergänzung tierschutzrechtlicher Anforderungen“. Verschiedene Instrumente, wie auch „das Tierschutzrecht und Vorschriften zu Haltungssystemen“, werden dabei empfohlen. 

Die Bundesregierung setzte genau dies um mit der Tierhaltungskennzeichnung, baurechtlichen Anpassungen und der Förderung via Bundesprogramm und GAP-Förderung. Sie führt Ihre Arbeit mit der Novelle des Tierschutzgesetzes fort, sowie mit der weiteren Arbeit an einer verlässlichen Finanzierung des Umbaus. Diese sollte nicht aus Haushaltsmitteln, sondern – wie von Borchert und ZKL gefordert – bei den Verbrauchern mit Lenkungswirkung ansetzen, durch den Wegfall des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte oder die Einführung eines Tierschutz-Cents als Verbrauchssteuer. DBV-Präsident Joachim Rukwied hat seine Bereitschaft bereits signalisiert, um damit den Umbau nachhaltig zu finanzieren. Lassen Sie uns das endlich anpacken. 

Borchert und die ZKL betonen, dass große Teile der Nutztierhaltung weit von den gesellschaftlich gewünschten Haltungsbedingungen entfernt sind und ein Maßnahmenpaket mit Weiterentwicklung des Ordnungsrechts, Tierschutzgesetz und Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erforderlich ist. Auch die „konsequente Beendigung nicht kurativer Eingriffe“ wird gefordert. Joachim Rukwied, Präsident des DBV, fordert stets eine Umsetzung dieser genannten Empfehlungen von ZKL und Borchert. Wir nehmen ihn beim Wort und arbeiten daran, diese umzusetzen. 

Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz und damit den Schutz der Tiere als Staatsziel. Zwischen diesem Auftrag und der Wirklichkeit klafft jedoch eine erhebliche Lücke. Seit der Einführung des Internets gab es z.B. keine Updates der tierschutzrechtlichen Vorgaben zum Online-Handel von Tieren. Das wollen wir ändern. Die aktuelle Rechtssetzung bietet weder Tierhaltern noch Vollzugsbehörden ausreichende Planungs- und Rechtssicherheit. 

Unser Gesetzesentwurf reduziert nicht-kurative Eingriffe, die nicht mit dem Tierschutz vereinbar sind, und führt ein Betäubungsgebot bei bestimmten körperlichen Eingriffen ein. Schweinehalter müssten Voraussetzungen schaffen, um auf das Kürzen der Schwänze sukzessive zu verzichten, Verhaltensstörungen zu verhindern und Schwanzbeißen zu vermeiden, um seit über 30 Jahren geltendes EU-Recht endlich umzusetzen. In letzter Konsequenz droht sonst ein Vertragsverletzungsverfahren. Andere Länder wie Finnland, Schweden, Norwegen oder die Schweiz zeigen, dass dies wettbewerbsfähig ökonomisch darstellbar ist. Der Dachverband der deutschen Tierärzteschaft, Bundestierärztekammer (BTK) sieht den Tierärztemangel nicht als Hindernis für die Pflichtbetäubung bei unerlässlichen Eingriffen. Sie befürwortet in ihrer Stellungnahme zum Tierschutzgesetz die Reduzierung weiterer nicht-kurativer Eingriffe. Außerdem lehnt die BTK diese Eingriffe durch Nichttierärzte ab und betont, dass dies im Rahmen der tierärztlichen Bestandsbetreuung mit dem Landwirt geplant und die Lokalanästhesie durch den Tierarzt ohne größeren Aufwand durchgeführt werden kann. 

Wir führen ein Überwachungsrecht der Veterinärbehörden in Tierkörperbeseitigungsanlagen ein, um Tierschutzverstöße effizienter ahnden zu können. Das ist ein Win-Win-Win für gute landwirtschaftliche Tierhalter, Vollzugsbehörden und den Tierschutz. Befunde von Falltieren geben Aufschluss über das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere zu Lebzeiten. So können mehrere Betriebe an einem Ort in Tierkörperbeseitigungsanlagen kontrolliert werden, und es sind nur anlassbezogene Kontrollen vor Ort nötig. Diese Neuerung entlastet die Veterinärbehörden, macht Tierschutzkontrollen effizienter und hilft ‚Schwarze Schafe‘ gezielt zu erkennen, ohne die gesamte Branche in Mitleidenschaft zu ziehen. Gleichzeitig werden Betriebe mit guter Tierhaltung weniger oft kontrolliert, was deren Mehraufwand reduziert, und sie entlastet. 

Bereits 2016 forderten die Bundesländer im Bundesrat ein Ende der Anbindehaltung mit einer Übergangsfrist bis 2028. Mit dem Tierschutzgesetzesentwurf setzen wir das um. Das ganzjährige Anbinden von Rindern wird nach einer weiteren 10-jährigen Übergangsfrist für 70 Prozent der 1 Mio. betroffenen Rinder verboten. Schon jetzt labelt die ‚Initiative Tierwohl‘ Kuhmilch aus Anbindehaltung entweder gar nicht oder als niedrigste Haltungsform. Erste Lebensmitteleinzelhändler nehmen bis 2030 solche Kuhmilch aus ihrem Sortiment. Anbindehaltung wird somit immer weniger nachgefragt, wirtschaftlich unattraktiver und sie lässt keine tiergerechte Bewegung zu. Daher muss sie in absehbarer Zeit besseren Haltungsformen weichen. Dieser Umbau der Tierhaltung ist insbesondere für kleinere Höfe mit Herausforderungen verbunden. Kleinere Höfe, die für die Artenvielfalt und Pflege der Kulturlandschaften wichtig sind, müssen unterstützt werden. Die Bundesregierung stellt eine Milliarde Euro für den klima- und tiergerechten Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung bereit. Dies ist nur der Anfang und geht mit der Erweiterung der Tierhaltungskennzeichnung auf Rinder einher. Im jüngst beschlossenen Agrarpaket honorieren wir über die GAP-Förderung ökologische Leistungen von Landwirtschaftsbetrieben. Wer mehr für Klimaschutz und den Artenerhalt tut, wird stärker gefördert. Die Weideprämie ist eine wichtige Maßnahme, um die Weidehaltung zu stärken und positive finanzielle Anreize dafür zu schaffen, Rinder nicht angebunden zu halten.

Mit freundlichen Grüßen

Stephanie Aeffner

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