Wurde die Wahlprüfung in Berlin zu langsam durchgeführt?
Sehr geehrter Herr Thomae
Die Prüfung der Wahl dauert ziemlich lange, bis zu Nachwahl vergeht eine Zeit wie 75% der Wahlperiode des US- Repräsentantenhaus. War das Ihrer Meinung nach noch angemessen oder eine größere Schande als die Fehler bei der Wahl selbst?
Was halten Sie davon, die Bürokratie zu ertüchtigen, die Prüfung schneller durchzuführen? Könnten Juristen im Vorfeld eine Reihe von Amtlichen Musterlösungen entwickeln, sodass die Entscheidungsfindung, Beurteilung schneller geht? Könnte man rechtzeitig vor der Wahl viele Wahlprüfungs-Schöffen rekrutieren, um das Nachzählen bzw die Detailurteile vor Ort schneller abzuwickeln? Wäre es schlauer, die örtlichen Verwaltungsgerichte mit der Wahlprüfung zu beauftragen und das Bundes- oder die Landesverfassungsgerichte nur mit den grundsätzlichen Fragen zu beauftragen?
Sehr geehrter Herr S.
Vielen Dank für Ihre Frage.
Das Wahlprüfverfahren hat sich grundsätzlich über die Wahlperioden bewährt. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es einen wirklich bislang beispiellosen Fall von Verwaltungsversagen bei der Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl speziell in Berlin. Deswegen das bewährte Wahlprüfverfahren komplett zu ändern, wäre meines Erachtens die falsche Reaktion. Gerichte wären auf ähnliche Aufklärungsschwierigkeiten gestoßen wie der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages.
Die Frage, ob die Wahlprüfung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen werden sollten, wird immer wieder erörtert. Allerdings ist eine Wahl kein Verwaltungsvorgang. Der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Überprüfung von Verwaltungsakten der Behörden gegenüber Bürgern zugewiesen. Darum geht es bei einer Wahl nicht. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit kennt auch einen dreistufigen Instanzenzug von den Verwaltungsgerichten über die Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe bis zum Bundesverwaltungsgericht. Ein solches Verfahren kann viele Jahre und unter Umständen länger als eine Wahlperiode dauern, bietet sich folglich also auch nicht an. Da eine Parlamentswahl ein Verfassungsorgan betrifft, ist daher der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nach meiner Auffassung das richtige Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae