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Stephan Thomae
FDP
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Frage von Julian W. •

Wie kann es gerecht sein, dass GRV-Versicherte hohe Beiträge für die Altersvorsorge zahlen, Abgeordnete eine deutlich Höhere erhalten, obwohl sie dafür während der Legislatur nichts eingezahlt haben?

Sehr geehrter Herr Thomae,
im Bundestag haben Sie sich gegen die Integration von BT-Abgeordneten die GRV ausgesprochen.
Dieser Schritt habe ihrer Meinung nach negative Folgen, da man zwar mehr Beitragszahler schaffen würde, langfristig könne sich dies aber „überkompensieren“, da man ja auch mehr Leistungsberechtigte schaffe. Da muss man sich wirklich fragen, ob Sie das Prinzip einer Sozialversicherung verstanden haben. Dieses Argument kann man gegen jede Risikoversicherung bringen. Ich frage mich auch, wie 736 Menschen, die alle auch noch den Höchstbeitrag zahlen, negativen Einfluss auf die GRV haben können.
Weiter sagten Sie, dass die meisten Abgeordnete nur zwei Legislaturen im Parlament sitzen und daher ohnehin von der eigenen Rentenpolitik betroffen wären. Dann frage ich mich: Wieso können Abgeordnete nicht auch während der Legislatur einzahlen?
Finden Sie das gerecht?
Vielen Dank für Ihre Antwort.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr W.

Vielen Dank für Ihre Frage zur gesetzlichen Rentenversicherung und meiner Plenumsrede am 22.03. diesen Jahres.

Integriert man Abgeordnete in die GRV, führt das natürlich dazu, dass mehr Personen in das System einzahlen. Gleichzeitig führt es allerdings auch dazu, dass mehr Personen einen Anspruch darauf haben, am Ende auch wieder Geld "aus dem Topf" zu bekommen. Wenn man auch die Abgeordneten in die GRV einbeziehen würde, wären das ja nicht nur die aktuellen 734 Bundestagsabgeordneten, sondern im Laufe der Zeit sämtliche ehemaligen Bundestags- und Europaabgeordneten und konsequenterweise dann ja wohl auch alle ehemaligen Landtagsabgeordneten. Wir reden also schon von einer nicht ganz unerheblichen Anzahl von ehemaligen Mandatsträgern.

Eine Überkompensation entsteht dabei durch den demografischen Wandel: Immer weniger Beitragszahlerinnen und Beitragszahler finanzieren immer mehr Anspruchsberechtigte - allein deswegen, weil unsere Gesellschaft immer älter wird. Je mehr Menschen in diesem System sind, desto stärker ist dieser Effekt. So habe ich es in meiner Rede auch dargestellt: Im besten Fall führt diese Maßnahme zu einer Nullrechnung, nicht aber zu einer Entlastung der GRV, die ohnehin kaum messbar wäre. Der Grundsatz, dass angesichts der heutigen Durchschnittslebenserwartung und des Renteneintrittsalters die künftigen Generationen an die Rentner mehr Rente in das Umlagesystem einbezahlen müssen, als die Rentner während ihrer Erwerbsphase eingezahlt haben, bleibt. Jeder Rentner, der zusätzlich in die GRV eintritt, verstärkt also rechnerisch das Finanzierungsproblem der GRV, egal lob Freiberufler, Unternehmer, Selbstständiger oder eben Mandatsträger. Wahrscheinlicher ist es sogar, dass das System stärker belastet wird, schlicht weil mehr Personen im System sind, die zeitnah anspruchsberechtigt sind. Dieses strukturelle Problem der GRV wollen wir gerade mit dem Generationenkapital anpacken. 

Meine Aussage, dass viele Abgeordnete ohnehin außerhalb ihres Abgeordnetenlebens in die GRV einzahlen, bezog sich schlicht auf das stumpfe Argument der AfD, die Rentenpolitik werde besser, wenn Abgeordnete auch in die GRV einzahlen würden. Weil das ohnehin im Rahmen des Berufslebens außerhalb des Parlaments der Fall ist, ist diese Argumentation nicht stichhaltig. 

Außerdem stimmt es nicht, dass Abgeordnete während ihrer Zeit im Parlament nichts in die Altersvorsorge einzahlen - das spreche ich ebenfalls in meiner Rede an: Aktuell gibt es die Figur der Versorgungsbeiträge - einen Wert, den die Abgeordneten des Bundestages, nicht ausgezahlt bekommen, sondern mit dem ihre Alterssicherung gegenfinanziert wird. Abgeordnete zahlen somit tatsächlich nichts "ein", sie bekommen allerdings weniger "aus"gezahlt.

Auch hier verweise ich auf meine Rede: Wenn wir das aktuelle System ändern wollten, dann könnten wir es auch so ausgestalten, dass Abgeordnete diese Versorgungsbeiträge ausgezahlt bekommen und sich privat um ihre Altersvorsorge kümmern. So wird die GRV ebenfalls nicht zusätzlich belastet. 

Versicherungsmathematisch handelt es sich bei der GRV übrigens nicht um eine solidarische Risikoversicherung. Eine solidarische Risikoversicherung finanziert sich nach dem versicherungsmathematischen Prinzip, dass alle Versicherten einbezahlen, aber nur ein Teil der Versicherten hat jemals einen Versicherungsfall. Das kann man bei der Kfz-Haftpflichtversicherung, bei der Unfallversicherung oder bei einer Feuerversicherung ganz gut darstellen: alle Versicherten zahlen ein, aber nur bei einem kleinen Teil der Versicherten verwirklicht sich das Risiko irgendwann. Bei der GRV ist das anders. Mit Ausnahme der vergleichsweise geringen Zahl derer, die vor Erreichen des Renteneintritts versterben, erhalten alle irgendwann eine Rente. Die GRV berechnet sich also ganz anders als eine solidarische Risikoversicherung.

Zusammengefasst also: Eine Integration von Abgeordneten in die GRV löst die Probleme des Systems nicht, die wir gerade mit anderen Maßnahmen tatsächlich anpacken. Wenn sie überhaupt einen Effekt hätte, ist eher von einer stärkeren Be- als einer Entlastung auszugehen. Abgeordnete "finanzieren" ihre Altersvorsorge während ihrer Zeit im Bundestag über Versorgungsbeiträge, die nicht ausgezahlt, sondern zurückgehalten werden. Sie zahlen während des restlichen Berufslebens in die GRV ein.

Insofern besteht weder ein konkreter Handlungsbedarf, noch ist von einem positivem Effekt auszugehen. Daher lehne ich eine solche Überführung ab.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae

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