Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland sich den europäischen Standards anpasst und den § 146 GVG streicht?
Sehr geehrter Thomae,
bei dieser Frage sind sich die Menschen sehr uneins.
Viele beantworten die Frage klar und eindeutig mit *Ja* oder *Nein*.
Einige beantworten die Frage gar nicht oder ausweichend.
Natürlich würde ich gern in Erfahrung bringen,
wie Sie diese Frage beantworten wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Erhard J.
Sehr geehrter Herr J.,
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich gehe davon aus, dass Sie sich mit Ihrer Frage vor allem auf das Weisungsrecht des Justizministers beziehen. Der EuGH hat der Bundesrepublik den klaren Auftrag gegeben, dieses zu reformieren, was auch Teil des Koalitionsvertrags ist. Dabei muss zwischen dem allgemeinen Weisungsrecht und dem Weisungsrecht im Einzelfall unterschieden werden. Allgemeine Weisungen sind in ihrer Natur bereits transparent, sodass die Gefahr von Missbrauch oder sachwidrigen Einflusses extrem gering ist. Sie können ein wichtiges Führungsinstrument sein, um eine gleichmäßige Rechtsanwendung und eine einheitliche Strafverfolgung sicherzustellen. Das allgemeine Weisungsrecht ist dementsprechend beizubehalten.
Dem gegenüberzustellen ist das Weisungsrecht im Einzelfall. Schon die bloße Existenz dieser Einzelweisungsbefugnis kann den Eindruck vermitteln, staatsanwaltschaftliches Handeln könne außerhalb der Bindung an Recht und Gesetz durch politische Einflussnahme bestimmt werden. Das Weisungsrecht der Justizminister in Einzelfällen beschädigt so das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Staatsanwaltschaft und Justiz. Dies birgt erheblich Probleme: So hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die deutsche Staatsanwaltschaft keine hinreichende Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive biete, um zur Ausstellung des Europäischen Haftbefehls befugt zu sein. Das sog. externe Weisungsrecht des Justizministers in Einzelfällen ist abzuschaffen. Die Staatsanwaltschaft soll jedoch weiterhin einer Dienstaufsicht unterliegen, die jedoch nicht das Weisungsrecht von Justizverwaltungen in Bezug auf Einzelfälle umfasst. Einen entsprechenden Antrag haben wir als FDP-Fraktion bereits 2019 in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae