Frage an Stephan Thomae von Hartmut E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Thomae
ich würde gerne wissen, was Sie dazu bewogen hat, gegen eine Offenlegung der Nebenein künfte zu stimmen? Wenn ich meine Stimme für einen Abgeordneten abgebe, möchte ich schon gerne wissen, ob er und falls ja, von wem und wieviel er Geld erhält. Wenn ein Abgeordneter z. B. eine sechstellige Summe von einem Pharmaunternehmen erhält oder von einem Schweinemäster, wird er sicher nicht gegen die Interesssen dieser Unternehmen stimmen. "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing." Deren Interessen sind aber nicht unbedingt auch meine Interessen - im Gegenteil.
Mit freundlilchen Grüssen
Hartmut Eppel
Sehr geehrter Herr Eppel,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. November 2012. Grundsätzlich verstehe ich Ihre Meinung zur Offenlegung von Nebeneinkünften. Nicht immer ist eine Offenlegung jedoch sinnvoll. Ein Bäckermeister zum Beispiel, der neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter seinem Beruf nachgeht, macht sich gerade dadurch unabhängig. Er sichert durch seinen Beruf seinen Lebensunterhalt, für die Zeit nach seiner Tätigkeit als Abgeordneter. Insbesondere in einem solchen Fall also behindern Nebeneinkünfte nicht etwa die Unabhängigkeit eines Abgeordneten, sondern sie sichern sie geradezu erst. Auch bei Nebeneinkünften, die dem Grunde nach vollkommen zulässig sind, gilt es zu unterscheiden. Dazu kommt, dass ein Abgeordneter, der ein Unternehmen betreibt, ja auch verantwortlich ist für seine Mitarbeiter.
Entgegen weitverbreiteter Meinung bin ich auch überhaupt nicht der Meinung, dass sich die Öffentlichkeit für jede Nebentätigkeit eines Abgeordneten interessiert. Gerade wenn sich diese im "normalen" Bereich bewegen, also im Bereich drei- oder vierstelliger Summen pro Monat, sehe ich das öffentliche Informationsinteresse gering. Umgekehrt hat die Abhängigkeit des Abgeordneten nicht unbedingt nur mit Nebeneinkünften zu tun. Auch bei einem Abgeordneten, der während des Mandats überhaupt keine Bezüge erhält, aber beispielsweise nach Ende seines Mandates ein Rückkehrrecht in ein Unternehmen, eine Gewerkschaft oder einen Verband hat, kann eine Abhängigkeit bestehen, die durch Nebeneinkünfte überhaupt nicht sichtbar würde.
Abgesehen davon ist ein Abgeordneter nicht zur Neutralität verpflichtet. Er ist kein politisches Neutrum, sondern gerade Parteien- und Interessenvertreter. Wer als Gewerkschafter, Mitglied eines Tierschutzvereins, Mitglied der Feuerwehr, Mitglied des Technischen Hilfswerks, des Handwerks, der Industrie, des Solarverbandes oder eines Sozialverbandes nominiert und gewählt wird, darf selbstverständlich die Interessen einer solchen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Gruppe auch im Deutschen Bundestag artikulieren und adressieren.
Für viel gefährlicher als den Abgeordneten mit Nebeneinkünften halte ich einen solchen, der von der Politik ganz und gar abhängt, und schon aus Gründen der Existenzsicherung darauf angewiesen ist, immer und immer wieder aufgestellt zu werden.
Grenzen dürften dort erreicht sein, wo ungewöhnlich hohe Summen für auffällig geringe Leistungen oder gar keine Gegenleistung gezahlt werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Gedanken meine Position darlegen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae, MdB