Frage an Stephan Thomae von Holger K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Thomae,
den Medien entnehme ich heute, dass die FDP für die sog. Widerspruchslösung beim Sorgerecht nichtehelicher Väter eintreten will. Frau Granold (CDU) äußert sich allerdings eher in RIchtung der sog. Antragslösung. Beiden gemein scheint eine Orientierung am Kindeswohl zu sein.
http://www.tagesschau.de/inland/sorgerecht120.html
Welche Voraussetzungen soll das gemeinsame Sorgerecht ihrer Ansicht nach konkret haben?
Sind Sie sich darüber bewusst, dass das Erfordernis einer sog. Kindeswohldienlichkeit dem Vater praktisch die Beweislast dafür aufbürdet, dass das gemeinsame Sorgerecht gut für das Kind wäre?
Wo kann man den Beweis nachlesen, dass das alleinige Sorgerecht gut für das Kindeswohl ist?
Wissen Sie, dass die Familiengerichte schon bei einem behaupteten, schwierigen Verhältnis der Eltern ein gemeinsames Sorgerecht als nicht dienlich ansehen?
Warum sollen Mütter ein Widerspruchsrecht haben, Väter aber nicht - Stichwort: Diskriminierung?
Für eine kurzfristige Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Kehl
Sehr geehrter Herr Kehl,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Sorgerecht vom 24. Juli 2010. Das Kindeswohl muss immer im Vordergrund stehen, wenn es um die Frage des Sorgerechts geht. Darin besteht bei allen Beteiligten klare Übereinstimmung. Erlauben Sie mir nun zu Ihrem Anliegen einige Anmerkungen.
I.
Ich setze mich für die sogenannte Widerspruchslösung ein. Danach sollen unverheiratete Eltern grundsätzlich gemeinsam das Sorgerecht für ihr Kind bekommen, wenn der Vater seine Vaterschaft anerkannt (§ 1594 BGB), die Mutter der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt (§ 1595 BGB) und der Vater erklärt hat, das Sorgerecht gemeinsam mit der Mutter ausüben zu wollen. Die Mutter soll dabei die Möglichkeit erhalten, Widerspruch gegen das Sorgerecht des Vaters einzulegen. Erfolgt ein solcher Widerspruch, muss das zuständige Familiengericht über das Sorgerecht entscheiden. Dabei hat es sich stets am Kindeswohl zu orientieren.
II.
Nach der von der FDP bevorzugten Lösung muss der unverheiratete Vater eben gerade nicht nachweisen, dass das gemeinsame Sorgerecht der Eltern dem Wohl des Kindes dienlich ist. Vielmehr soll das Gesetz nach unseren Vorstellungen künftig davon ausgehen, dass auch unverheiratete Eltern untern den oben genannten Voraussetzungen grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht erhalten. Will die Mutter das Sorgerecht des Vaters verhindern, muss sie nach dem Vorschlag der FDP aktiv werden und Widerspruch einlegen. Im Rahmen der darauf folgenden Gerichtsentscheidung ist es an der Mutter darzulegen, warum das Sorgerecht des Vaters dem Wohl des Kindes nicht dienlich sein sollte. Die Gerichte werden dann jeweils im Einzelfall entscheiden.
III.
Das geplante Widerspruchsrecht der Mutter ist darin begründet, dass auch künftig Fälle nicht auszuschließen sind, in denen es berechtigte Interessen der Mutter gibt, das Sorgerecht des Vaters verhindern zu wollen. Zu denken ist hierbei neben Fragen des Kindeswohls auch an Fälle von häuslicher Gewalt, Vergewaltigungen oder ähnlichem. Unter solchen Umständen muss es der Mutter auch weiterhin möglich sein, gegen das Sorgerecht des unverheirateten Vaters Widerspruch einzulegen. Ob dieser erfolgreich ist, bleibt der jeweiligen Gerichtsentscheidung vorbehalten.
Die Detailfragen der Neuregelung werden wir nach der Parlamentarischen Sommerpause mit unserem Koalitionspartner sowie dem zuständigen Bundesjustizministerium regeln.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen behilflich gewesen zu sein und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae, MdB