Frage an Stephan Stracke von Peter M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Kandidat,
Fast alle in Europa haben ihn. Warum wir nicht?
Ich meine den Mindestlohn in Deutschland.
Laut einer aktuellen Studie des DGB würde ein Mindestlohn millionen von Geringverdienern helfen und die Konjunktur ankurbeln. Fast vier Millionen ArbeitnehmerINNEN welche Vollzeit arbeiten und deren Familien würden davon profitieren. Zusätzlich etwa fünf Millionen ArbeitnehmerINNEN die geringfügig oder teilzeitbeschäftigt sind. Durch diesen Konsumschub würden bis zu 225 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Brauchen nur die Banken Rettungsschirme, oder brauchen nicht auch die Niedriglöhner einen Schutzschirm?
Wie ist Ihre Meinung zum Mindestlohn?
Sehr geehrter Herr Maier,
vielen Dank für Ihre e-Mail und Ihre Frage zu meiner Position zum Mindestlohn.
Jeder soll mit seinem Lohn den eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. Hierbei sind zu aller erst die Tarifvertragsparteien gefordert. Einen flächendeckenden, branchenunabhängigen gesetzlichen Mindestlohn lehne ich ab. Er würde mehr schaden als nutzen. Denn ein solcher würde sich gerade im Bereich der geringer qualifizierten Beschäftigung - so die übereinstimmende Auffassung der meisten Ökonomen - negativ auswirken und Arbeitsplätze im erheblichen Umfang gefährden. Hinzu kommt, dass zu Lasten der Arbeitslosen der Einstieg in Beschäftigung immer schwieriger würde.
Richtig können dagegen branchenspezifische Lösungen nach dem Arbeitnehmerentsende- oder Mindestarbeitsbedingungsgesetz sein. Unerlässlich ist es meines Erachtens, die Aufstiegsmobilität der Beschäftigten gerade im Niedriglohnbereich zu erhöhen. Dazu müssen wir noch mehr für Bildung und Ausbildung tun. Auch hier sind die Tarifvertragsparteien gefordert.
Im Übrigen bitte ich noch Folgendes zu bedenken: Nur ein kleiner Teil der sog. Aufstocker - also Erwerbstätige, die ergänzende sog. Hartz IV- Leistungen erhalten - ist trotz Vollzeitbeschäftigung allein wegen geringer Stundenlöhne bedürftig. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellte erst unlängst fest: Nur jeder Fünfte arbeitet mehr als 35 Stunden in der Woche. Etwa 70 Prozent der alleinstehenden Aufstocker bekommen ausreichend hohe Löhne, um durch Vollzeitbeschäftigung die Bedürftigkeit verlassen zu können. Grund für die verbreitete Teilzeitarbeit sind laut IAB häufig fehlende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA) hält daher zur Überwindung der Bedürftigkeit eher eine Abstimmung mit familienpolitischen Leistungen als die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für notwendig.
Beste Grüße
Stephan Stracke