Frage an Stephan Pilsinger von Bernd D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Pilsinger,
es gibt 2 zentrale Argumente gegen die Widerspruchslösung bei der Organspende:
1) Eine Spende, der man nur durch ein ausdrückliches Nein entkommt, sei keine Spende mehr.
Bitte bedenken Sie, worauf der Begriff „Organspende“ ursprünglich zielt, nämlich auf die Verhinderung von Organhandel. Wir sind uns ja alle einig, es darf niemals eine „Organbörse“ geben.
2) Die Widerspruchslösung sei ein unerträglicher Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte.
Meine Bitte: Fragen wir nicht als Erstes, ob wir Organe spenden wollen, sondern, ob wir für uns und unseren Liebsten im Ernstfall ein Organ wünschen würden!
Praktisch tut das jeder. Übrigens: Einem minderjährigen Kind kann man ein Organ durch elterliches Veto gar nicht vorenthalten, auch Zeugen Jehovas nicht. Die Ärzte erwirken sofort eine begrenzte Sorgerechtsübertragung auf das Jugendamt.
Jede Moral, die von der Rechtsgleichheit der Menschen ausgeht, fordert, anderen nicht vorzuenthalten, was man für sich und die Seinen wünscht. Kants kategorischer Imperativ stellt diese Maxime in das Zentrum der Moral, und sie ist Basis unseres Grundgesetzes.
Andererseits ist es ein hohes Menschenrecht, zu bestimmen, was mit dem toten Körper geschieht, wenn dieses Recht auch eingeschränkt ist: Es gibt kein Einspruchsrecht gegen die Obduktion bei unnatürlichem Tod.
Kranken, die keine Organe spenden wollten, darf man die Transplantation nicht verweigern. Es ist das Zentrum der ärztlichen Berufsethik: Behandlung darf niemals von Vorbehalten gegenüber dem Patienten abhängen.
Fazit: Ein Organ im Bedarfsfall haben, aber nicht geben wollen, ist nicht moralisch. Aber sowohl die Entnahme gegen den Willen des Verstorbenen als auch die Verweigerung ärztlicher Behandlung scheitern an höheren Rechtsgütern.
Was tun, in so einem moralischen Dilemma? Ist es nicht wenigstens zumutbar, dass, wer keine Organe spenden will, bei Bedarf aber selbst eines bekommt, aktiv Nein sagen muss?
Kollegiale Grüße Bernd Meyer