Stephan Bischoff
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Stephan Bischoff zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ernst R. •

Frage an Stephan Bischoff von Ernst R. bezüglich Bildung und Erziehung

Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?

Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?

Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?

Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.

Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Romoser,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich ihnen gern beantworten möchte. Die Ursache nach dem Demographischen Wandel kann ich leider nicht kurz beantworten, da in meinen Augen viele Faktoren eine Rolle spielen. Der allgemeine Trend zum Geburtenrückgang kann wahrscheinlich am ehesten mit dem zunehmenden relativen Wohlstand unserer Gesellschaft und der damit verbundenen Individualisierung erklärt werden. Aber insgesamt gibt es hierfür zu viele Faktoren, als nur einen zu nennen. So sorgt zum Beispiel auch der sogenannte Strukturwandel in der Landwirtschaft für weit weniger Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und damit weniger Menschen im ländlichen Raum. Aber auch ohne diesen Strukturwandel in der Landwirtschaft hat sich unser Arbeitsleben und -raum verändert und viele Arbeitsplätze entstehen vorwiegend in urbanen Regionen und weniger auf dem Land.
Insgesamt haben wir es mit einer Verstädterung zu tun, da viele Menschen viel öfter in Städte ziehen.

Den ländlichen Raum können wir damit stärken, indem wir regionale Wertschöpfungsketten stärken und von der Produktion, über Vermarktung und Verkauf den Fokus stärker auf den regionalen Bezug richten. Weiterhin sollten wir in meinen Augen auch den sogenannten Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft viel stärker kritisch diskutieren. Gerade die Massentierhaltungsindustrie bei Geflügel oder Schweinen schafft durch die Rationalisierung und Industrialisierung keine Arbeitsplätze, sondern vernichtet sie. Zusätzlich werden die AnwohnerInnen durch den Gestank der Anlagen oder den Lärm der unzähligen LKW belästigt. Ganz zu schweigen von der Verseuchung des Trinkwassers oder der realen Gefahr durch multiresistente Keime. Dies ist bestimmt kein Hauptargument, aber die genannten Faktoren senken die Lebensqualität der AnwohnerInnen erheblich.

Eine andere Herausforderung ist das kulturellen Angebot, dass viel zu oft nicht die Ansprüche der Menschen vor Ort erfüllen kann, weil die kommunalen Kassen leer sind. Von der Bibliothek, über das Kino, die Kneipe, das Theater, den Jugendclub oder Sportverein oder Schwimmbad, für all dies fehlt häufig das Geld. Auch allein der Wunsch, die Entwicklung der Gemeinde mitbestimmen zu können, scheitert oftmals an den Vorgaben und Einschränkungen der Kommunalaufsicht. Viele Kommunen in Deutschland sind hoch verschuldet und weisen zusätzlich einen Investitionsstau von über 140 Mrd. Euro auf. Natürlich gehören da auch Städte und Großstädte dazu, aber eben auch der ländliche Raum, in dem Schulen zusammengeführt oder Bibliotheken geschlossen werden müssen. Wir GRÜNE haben durch unser Steuerkonzept eine spannende Kontroverse losgetreten und sie haben sicherlich mitbekommen, dass wir für die obersten 10 Prozent der EinkommensteuerzahlerInnen die Steuern angemessen erhöhen wollen. Dieses zusätzliche Geld wollen wir für den Schuldenabbau nutzen, aber eben auch für Kitas, Schulen, Jugendförderung und ländliche Entwicklung.
Ich glaube nicht, dass man den demographischen Wandel in Gänze stoppen kann, aber man kann ihn so gestalten, dass man überall ein vergleichbares Maß an Lebensqualität hat. Dazu gehört, dass aus dem Weg zu Schule keine Weltreise wird, dass Bibliotheken erreichbar sind, der öffentlichen Personennahverkehr auf dem Land und in der Stadt funktioniert etc. .

Die geplante Schließung von Grundschulen wird sich meiner Meinung nach nachhaltig auf den ländlichen Raum auswirken. Grundschulen sind die Seele im Ort, insbesondere im ländlichen Raum. Die Landesregierung will 200 der 2.000 Stellen bei den Lehrerinnen und Lehrern streichen und nimmt damit Schulwege von bis 45 Minuten pro Strecke billigend in Kauf. Durch solche Maßnahmen können zwar unter Umständen Kosten eingespart werden, dennoch steht dieser mögliche Spareffekt in keinem Verhältnis zu den Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden und für die Grundschülerinnen und Grundschüler.
Darüber hinaus bedeutet eine Schulschließung für die betroffenen Gemeinden in der Regel einen harten Einschnitt, denn eine Schulschließung geht auch immer einher mit dem Verlust der Lebendigkeit von Gemeinden. Der ländliche Raum wird durch die Schließung von Grundschulen erheblich an Attraktivität verlieren und die Abwanderung von jungen Familien nur weiter verstärken.

Es ist richtig, dass wir in Sachsen-Anhalt sehr viele kleine Grundschulen haben. Es ist auch unumstritten, dass im Schulnetz der Grundschulen Handlungsbedarf besteht. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plädieren allerdings dafür, jede Entscheidung über eine Schulschließung individuell abzuwägen. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Entscheidungsprozess transparent und unter Einbindung aller Betroffenen organisiert wird. Wir halten die Entscheidung der Landesregierung durch eine schrittweise Anhebung der Mindestschülerzahl, Grundschulschließungen herbeizuführen für einen falschen Schritt. Aus diesen Erwägungen halte ich es für richtig, die Schulentwicklungsverordnung aufzuheben und gemeinsam mit den Schulträgern einen neuen Verordnungsentwurf zu erarbeiten.
Allerdings braucht es hierfür wohl andere Mehrheiten im Landtag. Da kann ich als möglicher Bundestagsabgeordneter wenig ausrichten, denn dem Bund fehlt hier die Kompetenz. Konkrete Kritik oder Wünsche leite ich aber gern an meine zuständigen Kolleginnen und Kollegen in der Landtagsfraktion weiter. Wofür ich mich als Abgeordneter einsetzen könnte und würde, ist das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufzuheben. Der Bund muss die Länder zukünftig im Bildungshaushalt unterstützen können. Das Kooperationsverbot ist nicht mehr zeitgemäß und überflüssig. Die Länder müssen stärker unterstützt werden können und wir brauchen Schulkonzepte, die eine Ganztagsbetreuung zulassen und längeres gemeinsames Lernen ermöglichen. Dass Bildung ein hohes Gut und die wichtigste Ressource unserer Gesellschaft ist, ist hinlänglich bekannt, denn diese Wahrheit wurde als Floskel häufig verbreitet und es hat sich wenig geändert. Bildung ist vielmehr immer noch die Sparbüchse der Nation und die jüngste Debatte um die Kürzungen bei den Hochschulen belegen meine Aussagen glasklar. Wir wollen mit unserem Steuerkonzept die Kommunen wieder auf gesunde Füße stellen und über 40 Prozent der Mehreinnahmen in Bildung und Betreuung investieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir hiermit, und mit der Aufhebung des Kooperationsverbots, eine Menge gegen die Schulschließungen in Sachsen-Anhalt leisten können.

Ich hoffe, ich konnte ihre Antwort zufriedenstellend beantworten und grüße sie herzlich! Erlauben sie mir noch den Hinweis: Am 22. September sollten sie mit ihrer Zweitstimme uns GRÜNE wählen! Wir haben die Zeit in der Opposition genutzt und unsere Ideen durchgerechnet und ein ambitioniertes und ehrliches Programm formuliert. Helfen sie uns, wählen sie uns mit ihrer Zweitstimmen.

Ihr

Stephan Bischoff