Frage an Steffen Bilger von Lothar H. G. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Bilger,
Meine Mutter, geboren 1921, demnächst also 92 Jahre alt, erhält vom Finanzamt eine Aufforderung auf ihre Rente eine Nachzahlung zurück bis zum Jahr 2005 zu leisten. (Bzw. Einkommensteuererklärungen abzugeben.
Ich halte dies für ein Ärgernis ohne Gleichen. Meine Mutter hat seit ihrem 14. Lebensjahr gearbeitet, ihren Sohn allein groß gezogen, da der Vater in russischer Kriegsgefangenschaft war und praktisch nach dem Krieg, nach 1945, diese Republik mit aufgebaut. Aufgrund ihrer und meines Vaters Tätigkeit konnte sie kein Vermögen aufbauen, Die Lohnsteuer von dem geringen Verdienst wurde regelmäßig abgeführt. Und als beide dann in Rente gingen und der Vater verstorben ist, wurde ihr gesagt, sie habe keine Steuererklärung mehr zu machen. Okay, soweit so (un)gut. Reichtümer hat sie keine erworben.
Dass nun, im hohen Lebensalter, nochmal eine Steuer auf bereits versteuertes Einkommen eingefordert wird, ist schon eine Frechheit und zeugt im höchsten Maße davon, wie weit unsere "Volksvertreter" vom Volk entfernt sind. Egal von welcher Partei! Dass der Staat Geld braucht ist unbestritten - aber nicht von den Rentnerinnen, die ihr ganzes Leben für diese Republik gearbeitet haben.
Auch Sie, Herr Bilger, werden mir nicht weismachen können, dass der Staat auf diese Rentenbesteuerung angewiesen sein soll. Es gibt andere Menschen in diesem Staat, die recht- oder unrechtmäßig zu großem Vermögen gekommen sind und eben keine Steuern bezahlen.
Meine Frage an Sie: Was gedenken Sie, als Politiker, gegen diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zu tun? Sie wollen doch auch wiedergewählt werden?
Für Ihre Antwort danke ich recht herzlich.
Lothar H. Gramm
Sehr geehrter Herr Gramm,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zur Rentenbesteuerung.
Ich habe Verständnis dafür, dass Sie die nachträgliche Besteuerung der Rente Ihrer 92jährigen Mutter nicht nachvollziehen können. Soweit ich das ohne genauere Kenntnis des Einzelfalles von hier aus beurteilen kann, wird es wahrscheinlich aber gar nicht so weit kommen.
Seit 2005 gilt eine Neuregelung bei den Alterseinkünften. Wahrscheinlich hat das zuständige Finanzamt so lange gebraucht, um die Gesetzesänderung bei den Rentenbeziehern abzuarbeiten. Dies ist natürlich sehr bedauerlich. Wie es dazu kommen konnte, kann ich mir nur schwer erklären.
Grundsätzlich gilt, dass Senioren lediglich dann eine Steuererklärung abgeben müssen, wenn ihr gesamtes zu versteuerndes Einkommen den jährlichen Grundfreibetrag überschreitet. Bei Alleinstehenden sind das 8.004 Euro im Jahr. Von dem steuerpflichtigen Anteil der Rente kann ein Senior aber noch eine Reihe von Ausgaben steuermindernd abziehen.
Seit jeher sind Renten steuerpflichtig – also auch schon vor 2005. Bei der überwiegenden Mehrheit der Rentenempfänger war jedoch in der Vergangenheit der Besteuerung unterliegende Ertragsanteil so gering, dass es zu keiner Steuerfestsetzung kam. Dies betraf hauptsächlich die Fälle, in denen ausschließlich Renteneinkünfte bezogen wurden. Deshalb gehe ich – wie gesagt – eigentlich auch davon aus (nach dem, was Sie geschrieben haben), dass Ihre Mutter wahrscheinlich gar keine Steuern bezahlen muss beziehungsweise nur sehr wenig. Lediglich oberhalb des Grundfreibetrages werden Steuern fällig.
Jetzt haben Sie ja eingewandt, dass Sie es nicht nachvollziehen können, dass auf bereits versteuertes Einkommen noch einmal Steuern bezahlt werden müssen. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob dies tatsächlich bei Ihrer Mutter der Fall sein wird – dies kann nur das Finanzamt sagen. Der Staat kann seinen vielfältigen Aufgaben aber nur gerecht werden, wenn Steuern auf Steuern entrichtet werden. So wird selbstverständlich auf Waren Mehrwertsteuer erhoben, die vom bereits besteuerten Einkommen bezahlt werden. Senioren werden steuerlich dazu eben nicht anders behandelt als alle anderen Steuerzahler auch: nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Es gibt keinen Grund dafür, dass eine Kassiererin, die mit ihren Einkünften über dem Steuerfreibetrag liegt, zu Steuerzahlungen herangezogen wird, während dies für Senioren nicht gelten soll.
Diese steuerliche Regelung ist außerdem eine Antwort auf den demographischen Wandel. Mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung werden Alterseinkünfte erst dann versteuert, wenn diese an den Steuerpflichtigen ausgezahlt werden – also im Alter; in der Regel mit einem geringeren Steuersatz. Die Beiträge zur Altersorge bleiben in der Erwerbsphase bis zu einem jährlichen Höchstbetrag unversteuert und bieten damit einen Anreiz für die private Altersvorsorge.
Sie sehen also – auch wenn man diesen Sachverhalt selbstverständlich kritisieren kann –, dass es aus unserer Sicht Gründe für eine Rentenbesteuerung gibt. Auch die Mehrheit der Rentenexperten scheint – so sieht es für mich aus – dieser Meinung zu sein.
Eine gleiche Behandlung von Einkommen und Renten ist also eine Frage der Gerechtigkeit.
Eine Frage der Gerechtigkeit ist selbstverständlich auch, dass alle unrechtmäßig erworbenen Vermögen strafrechtlich verfolgt werden und jeder seinen vorgesehenen Steuerbeitrag entrichtet. Daran hat die Bundesregierung allein schon ein finanzielles Interesse. Sollten Ihnen hierzu Beispiele bekannt sein, teilen Sie mir diese doch gerne mit, dann werde ich mich darum kümmern.
Bedauerlicherweise ist es in der Tat so, dass im sehr komplexen Steuerrecht es immer wieder kleinere Schlupflöcher gibt, wodurch ein findiger Steuerzahler seine Steuerlast schmälern kann. Ich kann Ihnen versichern, meine Fraktion arbeitet mit Hochdruck daran, diese Löcher zu stopfen.
Wenn Sie noch eine Frage haben beziehungsweise ich mich noch konkreter um das Ihre Mutter betreffende Anliegen kümmern soll, melden Sie sich doch gerne direkt bei mir ( steffen.bilger@bundestag.de ).
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bilger MdB