Frage an Stefanie von Berg von Detlef Becker D. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau von Berg,
der Deckel über die A7 gilt als ambitioniertes Projekt Ihrer ehemaligen und gffs. zukünftigen Stadtplanungssenatorin. Nun kann man sich vorstellen, dass ein Tunnel vor dem Tunnel hinsichtlich der Abluft-, Zuluft und Feinstaubentwicklung bautechnisch nicht einfach zu realisieren ist, ganz abgesehen davon, dass möglicherweise Verwaltungsklagen der Anwohner das Projekt verzögern. Gibt es hinsichtlich der Kosten schon konkrete Zahen, die sich an der Realität der Umsetzung orientieren?
Ich wollte Sie außerdem fragen, wie Sie persönlich denken, wie Kulturschaffende in dieser Stadt gehalten werden können bezüglich billiger Ateliers in Innenstadtnähe; hiermit meine ich nicht nur den erklärten Willen der Politik, den Standort Wilhelmsburg aufzubauen, um, ihn zu " gentrifizieren ".
Vielen Dank
Ihr Dr. Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
herzlichen Dank für Ihre Fragen zu den Themen A7-Deckel und Kulturschaffende.
Zunächst einmal: Hamburg erhält durch den A7-Deckel die einmalige Chance, eine der größten städtebaulichen Wunden dieser Stadt zu heilen. Es wird ein (fast) durchgängiger Grünzug von der Elbe bis zum Volkspark geschaffen, der das Zusammenwachsen von Quartieren und Parkflächen ermöglicht, sowie den Lärmschutz für mehrere 10.000 Menschen sichergestellt. Hierfür steht die GAL nach wie vor, ebenso wie wir uns für den Lückenschluss des letzten Teilstücks einsetzen. Hamburg braucht aber auch neuen Wohnraum in einem größeren Umfang, der gerade in gut erschlossenen, zentralen Bereichen wie denen des künftigen Deckels entstehen kann und muss. Die Kosten für das Projekt werden auf 600 Millionen Euro geschätzt, wovon der Bund 420 Millionen Euro trägt. Die Kosten, die Hamburg tragen muss, sollen durch den Verkauf von Grundstücken entlang des Deckels finanziert werden. In den Kosten sind bereits der Einsatz von Feinstaubfiltern (Tunnelfiltern) und Schadgasfiltern (Tunnelkat) am Tunnelabluftkamin eingerechnet sowie eine Entrauchungsanlage mit den erforderlichen Entrauchungsstationen, Entrauchungsventilatoren, Flammensperren und Immissionsschutzklappen.
Zum Thema Kulturschaffende zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen: Der GAL ist die Förderung der Kultur ein zentrales Anliegen. Dafür gibt es viele Gründe. Kultur ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft wichtig, kann gesellschaftliche Entwicklungsprozesse anstoßen, dient der kritischen Reflexion und vieles mehr. Kultur ist für die Metropole Hamburg aber auch ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung nicht nur wissensbasierter Unternehmen. Es gibt also viele Gründe, weshalb die Förderung ein Schwerpunkt der politischen Agenda sein soll. Aus den Brutstätten der Stadtteilkultur kommen wichtige kreative Akteure der Stadt. Zu Recht verweisen die Stadtteilzentren mit Stolz darauf, dass Fatih Akin unter anderem auch in der Motte das Filmemachen gelernt hat oder dass einer der ersten Auftrittsorte von Jan Delay das Kulturhaus Eppendorf war.
Wie können diese Kulturschaffenden in der Stadt gehalten werden? Die Tatsache, dass Hamburg das Gängeviertel zurückgekauft und vor dem Abriss bewahrt hat, zeigt, dass Orte für die Kulturschaffenden erhalten werden. Die GAL hat die „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ gegründet und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet. Sie soll für alle Künstler und Kreativen in der Stadt Anlaufstelle sein, um drängende Probleme- wie zum Beispiel Platz für Arbeitsräume etc. - zu lösen sowie Kreative zu fördern, zu vernetzen und zu beraten. Für die Erschließung von Arbeitsräumen braucht es kreative Raumpioniere: Dafür können vernachlässigte Immobilien, Bauwagen oder Hausboote genutzt werden. Diese Pioniere sind vor allem Impulsgeber zur kulturellen Neuorientierung und Neubesiedelung von Räumen, nicht eine Bedrohung städtischer Interessen. Neben dem Gängeviertel ist der Umzug von Kulturschaffenden vom Frappant-Gebäude in die Viktoria-Kaserne im vergangenen Jahr ein gutes Beispiel - dadurch hat sich dieses Kunstprojekt in Altonas-Altstadtgut etabliert. Wir wollen die Kaserne längerfristig als Standort für kreatives Schaffen erhalten. Um ein kreatives Nutzungskonzept für das alte Finanzamt in der Großen Bergstraße wird zwischen Bezirk, Bürgerschaft und Finanzbehörde gerungen. Auch hier werden wir weiter intensiv für eine kommunale und kreative Nutzung werben. Die Umnutzung der alten Rindermarkthalle in St. Pauli sorgte für heftige Diskussionen. Neben Einzelhandels- und Marktflächen ist eine kulturelle und kreativwirtschaftliche Nutzung gut vorstellbar. Wir wollen das Planungsverfahren deshalb gemeinsam mit den Menschen vor Ort neu starten. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass leer stehende Immobilien zukünftig für eine temporäre Nutzung vermietet werden können. In der HafenCity wollen wir ein Areal am Oberhafen zu einem Kreativbereich entwickeln, die alten Schuppen und Hallen sollen dort erhalten bleiben. Mittelfristig soll sich dort ein Kreativ- und Kulturquartier entwickeln, das auch mit Rothenburgsort, dem Brandshof sowie der Museumsmeile vernetzt ist.
Ich hoffe, Ihre Fragen wurden zufriedenstellend beantwortet - sonst können Sie mich auch gerne direkt per Mail unter info@stefanievonberg.de erreichen.
Freundliche Grüße,
Stefanie v. Berg