Frage an Stefan Gelbhaar von Jochen F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Gelbhaar,
Sicher haben Sie von der kürzlich von Jan Böhmermann angestoßenen Diskussion um die Entschädigungsverhandlungen der Bundesregierung mit der Familie Hohenzollern Kenntniss genommen.
Meine Fragen an Sie sind:
- Wie stehen Sie zu den Entschädigungsforderungen der Familie Hohenzollern?
- Wie sehen Sie es, dass die Bundesregierung echte Opfer missachtet und Angehörige von Familien, die ihren Besitz aus schwersten Verbrechen gegen die Menschheit bezogen haben bevorzugt behandelt werden?
- Wie erklären Sie sich, dass Angehöriger dieser Clans offensichtlich durch persönliche Kontakte immer noch genügend Einfluss haben um demokratische Entscheidungsträger zu korrumpieren? Haben Sie auch das Gefühl, dass westliche Demokratien zu Selbstbedienungsläden für Reiche verkommen sind wo man Gesetze brechen, Steuern hinterziehen und sich offensichtlich Allgemeineigentum schenken lassen kann nur weil man Geld hat und die richtigen Leute kennt?
- Wie sollen ich und meine Kinder jemals von so einem korrupten System profitieren können? Es war ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass unser Staat niemals wieder in so eine Richtung umkippt.
- Was werden Sie dafür tun, dass diese Clans sich nicht durch Korruption und juristische Tricks Allgemeineigentum aneignen während normale Menschen für ihr Geld arbeiten müssen und für ihre kriminellen Taten verurteilt werden? Tun Sie oder Ihre Partei irgendwas gegen die ausufernden Machtbestrebungen dieser Clans?
Ich danke Ihnen für die Bearbeitung meiner Anfrage und wünsche Ihnen noch eine erfolgreiche Amtszeit.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Freitag,
seit mehreren Jahren verhandeln der Bund, die Länder Berlin und Brandenburg und die Nachfahren der Hohenzollern über tausende Kunstobjekte, die sich in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und im Deutschen Historischen Museum befinden.
Die Hohenzollern fordern die Rückgabe dieser Gegenstände, da diese nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Zone enteignet wurden. Gegenstand der Verhandlungen ist außerdem das von den Hohenzollern verlangte Wohnrecht für das Schloss Cecilienhof.
Bis heute finden diese Verhandlungen vertraulich statt, ohne dass Bundestag und Öffentlichkeit erfahren können, was genau besprochen wurde und nach wie vor besprochen wird. Die Hohenzollern berufen sich bei ihren Forderungen auf das Ausgleichleistungsgesetz.
Leistungen nach diesem Gesetz werden jedoch nicht gewährt, wenn derjenige, von dem die Rechte abgeleitet werden, „dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat“. Dies ist nach Auffassung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zweifellos der Fall, weshalb den Entschädigungsforderungen der Hohenzollern aus unserer Sicht auf keinen Fall entsprochen werden darf.
Zahlreiche Dokumente belegen, dass Wilhelm Prinz von Preußen durch antidemokratische Reden und Taten und auch antisemitische Reden den Aufstieg der Nationalsozialisten als eine Art Steigbügelhalter ermöglicht hat. So bezeichnete er Hitler als „genialen Führer“ und hat sich beispielsweise, als angesichts bürgerkriegsähnlicher Zustände SA und SS verboten werden sollten, mit einem Appell an Innenminister gewandt, das Verbot aufzuheben, um „das wunderbare Menschenmaterial, das in der SA und SS vereinigt und dort eine wertvolle Erziehung genießt“, für den nationalen Kampf zu erhalten.
Nachdem der Satiriker Jan Böhmermann die Angelegenheit aufgegriffen hat, ist das Thema Gegenstand noch breiter und hitziger in der öffentlichen Debatte. Auf der Internetseite hohenzollern.lol hat er die wissenschaftlichen Gutachten, die in der Angelegenheit erstellt wurden, geleakt.
Doch trotz der medialen Aufmerksamkeit, die das Thema in Presse, Funk und Fernsehen bekommt, wurde der Deutsche Bundestag bisher nicht über den Verhandlungsstand informiert. Wir haben im September 2019 einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, der feststellt, dass Wilhelm Prinz von Preußen dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat und fordern die Bundesregierung auf, diese Feststellung den Verhandlungen zu Grunde zu legen.
Außerdem verlangen wir in unserem Antrag, dass der Deutsche Bundestag und damit die Öffentlichkeit vollständig über die Verhandlungen informiert werden. Vertraulichkeitsvereinbarungen, die eine öffentliche Debatte in dieser Angelegenheit verhindern, sind angesichts der Bedeutung für das Gemeinwesen und für öffentliche Museen unangemessen.
Kleine Anfrage „Verhandlungen über Ausgleichszahlungen mit den Hohenzollern“:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/231/1923145.pdf
Persönlich will ich noch einen Punkt hinzufügen: Die Monarchie ist vertrieben worden und lange vergessen, sie würde heute als verfassungs- und klar demokratiefeindliche Institution gekennzeichnet werden. Angebliche Eigentumsansprüche auf den ehemaligen monarchischen Besitz sind für mich politisch wie rechtlich in höchstem Maße fragwürdig, und im Ergebnis abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Gelbhaar