Frage an Stefan Gelbhaar von Sami A. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Gelbhaar,
mich interessiert Ihre Haltung zu familienrechtlichen Gutachten als Abgeordneter des Bundestages für die Grünen.
Gutachter werden in familienrechtlichen Fällen von Richtern direkt beauftragt. Daß es das Wort “Gefälligkeitsgutachten” gibt, ist dabei sicherlich kein Zufall. Man könnte zu der Auffassung kommen, daß es sich in vielen Fällen gar um ein symbiotisches Verhältnis zwischen Richtern und Gutachtern handelt. Daß Richter immer wieder die selben Gutachter beauftragen, sollte hierfür als ein Indiz gelten.
Neben der Beauftragung von Gutachtern ist die Qualität der meisten Gutachten ebenfalls höchst fragwürdig. So hat eine Studie von Prof. Dr. Werner Leitner ergeben, daß die überwiegende Mehrheit der Gutachten nicht die Mindestvoraussetzungen erfüllen. In meinem Fall wollten die Richter am OLG Nürnberg kein Gegengutachten zulassen, weil man die Gutachterin kenne und sie laut dem vorsitzenden Richter gute Arbeit leiste. Im Nachgang an das Verfahren habe ich das Gutachten an den o.g. Prof. Dr. Leitner geschickt, der das Gutachten als höchst mangelhaft eingestuft hat.
Bereits im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode war das Thema Gutachten in familiengerichtlichen Verfahren ein Thema, so hieß es:
“[...] die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern” (S.154).
Warum gibt es keine zentrale Stelle die sich um die Vergabe von Aufträgen für Gutachten kümmert und die Gutachten regelmäßig Qualitätskontrollen unterzieht? Würden Sie sich dafür einsetzen, daß so eine Stelle geschaffen wird? Damit würde man ausschließen, daß Richter nur ihnen gefällige Gutachter beauftragen und gleichzeitig würde man die Qualität sichern.
Mit freundlichen Grüßen,
S. A.
Sehr geehrter Herr Awad,
vielen Dank für Ihre Frage. Es gibt einen Mindestanforderungskatalog, der für alle Gutachterinnen und Gutachter gilt. 2016 hat der Bundestag das Gesetz "Zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" beschlossen, in welchem Rahmenbedingungen für Gutachten festgelegt wurden, aber auch Beschleunigung von Verfahren.
In Kindschaftssachen sollen zur Verbesserung der Qualität der Gutachten Qualifikationsanforderungen für Sachverständige gesetzlich vorgegeben werden. Parallel dazu entwickeln die Berufsverbände Mindestanforderungen an die Qualität von Gutachten im Kindschaftsrecht. Das Bundesministerium informiert dazu hier: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Themenseiten/FamilieUndPartnerschaft/MindestanforderungenSachverstaendigengutachtenKindschaftsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Wir haben das als Bündnisgrüne begrüßt, sehen aber noch weiteren Regelungsbedarf zur Verbesserung familiengerichtlicher Abläufe und Verfahrensbeteiligte, unter anderem im Bereich der Verfahrensbeistände, wie auch der Qualifizierung von Familienrichterinnen und -richtern.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Gelbhaar