Wieso schafft die SPD-Fraktion beim Thema Suizidhilfe keinen einheitlichen Standpunkt wie bei Schwangerschaftsabbrüchen?
Hallo, laut übereinstimmenden Medienberichten will die SPD-Fraktion frühe Schwangerschaftsabbrüche legalisieren. Nun stelle ich mir die Frage, wieso so etwas nicht auch beim Thema Suizidhilfe möglich ist. Bei beiden Themen geht es um Leben und Tod. Der Unterschied ist jedoch, dass bei der Suizidhilfe die Person, die stirbt oder weiterlebt, sich selbst für eine der beiden Optionen entscheidet. Es basiert also im Gegensatz zu Schwangerschaftsabbrüchen, bei denen das ungeborene Lebewesen nicht befragt werden kann, vollkommen auf Freiwilligkeit. Also sollte es doch beim Thema Suizidhilfe noch einfacher sein, sich auf einen gemeinsamen Standpunkt der gesamten Fraktion zu einigen. Fast ein Drittel der anwesenden Abgeordneten der SPD stimmte letzten Sommer gegen den liberalen Entwurf zur Suizidhilfe, der diese außerhalb des Strafrechts regeln wollte. Wieso ist bei Schwangerschaftsabbrüchen eine einheitliche liberale Position der gesamten Fraktion möglich, beim Thema Suizidhilfe jedoch nicht?

Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Beide Themen eint, dass es hier im Vergleich zum üblichen Verfahren über die Fraktionen einen Zusammenschluss von Abgeordneten im Wege einer Initiative zu einem Gruppenverfahren gibt. Die Erarbeitung einer Position, einer gesetzlichen Änderung und schließlich die Abstimmung erfolgt daher gemeinsam über diese Initiative und nicht notwendigerweise als Fraktion.
Dabei sind die von Ihnen angesprochenen Sachverhalte unterschiedlich gesetzlich verankert. Der Schwangerschaftsabbruch ist aktuell (noch) in § 218 des Strafgesetzbuches geregelt. Wie Sie richtig vernommen haben, möchten ich und die Abgeordneten meiner Fraktion dies ändern und haben dies gemeinsam mit Abgeordneten anderer Fraktionen am Do, 05.12.24 in einer ersten Lesung im Bundestag debattiert.
Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und ein daraus folgendes Recht auf Sterbehilfe ist grundgesetzlich veranlagt. Es ist Bestandteil von Leben, über den Weg aus dem Leben selbst zu bestimmen. In dieser Wahlperiode hatten wir dazu im vergangenen Jahr eine sog. Orientierungsdebatte mit verschiedenen Initiativen als Gruppenanträge. In Folge dieser Debatte wurde vom Bundestag ein gemeinsamer Antrag zur Suizidprävention beschlossen und aktuell wird im Zuge weiterer Fachgespräche weiter an diesem Thema gearbeitet. Hierzu zählt auch die von unserem Gesundheitsminister Lauterbach vorgestellte Nationale Suizidpräventionsstrategie, mit der wir Menschen in für sie ausweglosen Situationen besser unterstützt werden möchten.
Ich kann Ihnen aus meiner Überzeugung sagen, dass es für mich bei beiden Regelungen um die Stärkung der eigenen Selbstbestimmung geht und es für mich persönlich der Selbstbestimmung widerspräche, wenn Sterbehilfe gesetzlich grundsätzlich strafbar würde. Hiermit würde zugleich eine weitere Kriminalisierung und Stigmatisierung von Beteiligten sowie Tabuisierung von Sterbewünschen zumindest riskiert. Um dem genannten Grundsatz eines Rechts auf selbstbestimmtes Sterben gerecht zu werden, ist es erforderlich, den Willen von Sterbewilligen zu betrachten und zu respektieren. Dies führt uns zur Auseinandersetzung mit den individuellen Lebenswirklichkeiten, die einen einheitlichen Standpunkt auch innerhalb unserer Fraktion nicht immer ermöglichen können.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage damit beantworten konnte. Bei weiteren Anliegen melden Sie sich gerne bei mir.
Mit freundlichen Grüßen
Sonja Eichwede