Welchen Effekt hatte nach Ihrer Auffassung die einrichtungsbezogene Impfpflicht? Würden Sie heute wieder so abstimmen wie am 10.12.2021?
Gemeint ist hier die Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Drucksachen 20/188 und 20/250.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 26.01.2023.
Ich bin mir der Thematik bezüglich der einrichtungsbezogenen Impflicht bewusst. Allerdings machten die viel zu hohen Fallzahlen und die täglichen Corona-Toten zu der Zeit der Abstimmung ein Eingreifen unabdingbar, insbesondere in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- und Pflegesektor.
Die Konsequenzen für gemeldete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen, die unter das Gesetz fielen, lagen seit Beginn an im Ermessen des örtlichen Gesundheitsamtes. Dort fand während der Corona-Höchstzeiten eine Überprüfung jedes gemeldeten Einzelfalles statt, sodass anschließend dann die ggf. zu treffende Entscheidung gefällt wurde. Oftmals konnte durch diese Einzelfallabwägung den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Alternative, wie beispielsweise eine Weiterbeschäftigung in weniger sensiblen Bereichen, angeboten werden.
Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sollte insbesondere sichergestellt werden, dass Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Infektionsrisiko und ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben besser geschützt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen kam hier aufgrund ihres Berufes eine besondere Verantwortung zu. Die Menschen, die ihnen zur Behandlung, Versorgung, Pflege oder Betreuung anvertraut sind, können sich zum Teil aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen. Vor allem besonders vulnerable Personen sind im Rahmen eines pandemischen Geschehens einem großen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Solche Personengruppen bedürfen daher eines besonders starken Schutzes aus dem Umfeld. Der Schutz gefährdeter Personen stellt dabei ein überragendes Gemeinschaftsgut dar. Ungeimpftes Personal war aufgrund der besonderen Nähe zu den ihnen anvertrauten Menschen in Einrichtungen insbesondere in den Corona-Hochzeiten als ein zusätzliches Risiko zu qualifizieren. Wichtig war hier die frühzeitige Unterbrechung von Übertragungsketten durch die Annahme des Impfangebotes. Impfungen trugen weiterhin dazu bei, dass schwere Verläufe der Erkrankung vermindert werden konnten. Leider war zu dem Zeitpunkt der Debatte und Abstimmung im Deutschen Bundestag laut Schätzungen zu beobachten, dass bei medizinischem Personal und Pflegepersonal trotz der vorhandenen Impfangebote noch relevante Impflücken bestanden.
Dies war der Grund, warum wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einrichtungsbezogen in Krankenhäusern, Tageskliniken, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Entbindungs-einrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und voll- oder teilstationären Pflegeeinrichtungen zum Nachweis einer COVID-19-Impfung verpflichtet haben, sofern keine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung vorlag.
Diese Entscheidung steht mit unserem Grundgesetz im Einklang. Die Pflicht, einen ausreichenden Impfschutz gegen SARS-CoV-2 aufweisen zu müssen, berührt zwar das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, auch wenn die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt. Der Eingriff ist aber nach verfassungsrechtlicher Abwägung angemessen und somit gerechtfertigt, da die überragend wichtigen öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt werden.
Insbesondere die Schutzbedürftigkeit der besonders gefährdeten Menschen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und die Vermeidung einer Überlastung des deutschen Gesundheitssystems die Entscheidung für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht unabdingbar.
Eine solche Entscheidung muss immer im Kontext der aktuellen Situation gefällt werden. Heute befinden wir uns in einer anderen Infektionslage als im Dezember 2021. Die Corona-Lage hat sich maßgeblich entspannt, weshalb eine Einrichtungsbezogene Impflicht im Moment nicht notwendig ist. Sollte sich die Situation jedoch verschlechtern, würde ich wieder für eine Impfpflicht stimmen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte und wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Sonja Eichwede