Frage an Sören Bartol von Jochen S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Bartol,
immer mehr Kinder sind betroffen von der Trennung ihrer Eltern. Meist wird einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Dieser kann dann mit den Kindern an jede beliebige Stelle der Welt ziehen, sei sie auch noch so weit vom bisherigen Lebensmittelpunkt und dem zweiten Elternteil entfernt. Aktiv an die Erziehung der Kinder kann er sich nicht beteiligen. Die Zeit der Kinder mit dem anderen Elternteil ist meist auf jedes zweite Wochenende beschränkt. Zur Trennung der Eltern kommt die familiengerichtlich abgeurteilte Trennung der Kinder von einem Elternteil. Das Umgangsrecht ist im Gesetz enthalten und Urteile zum Recht auf Umgang der Kinder mit dem anderen Elternteil gibt es viele. In Deutschland existieren aber keine Instrumente ein solches Umgangsrecht gegen den Willen des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten durchzusetzen.
Die in der Regel praktizierte familiengerichtliche Trennung der Elternteile in einen betreuenden mit allen Rechten und einen nicht betreuenden nur mit der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt entspricht in keiner Weise dem Wohl der Kinder. Söhne und Töchter brauchen auch nach der Trennung der Eltern weiter Vater und Mutter.
Hier gibt es andere Ansätze. Im Cochemer Modell überträgt das Familiengericht keinem der Elternteile das Aufenthaltsbestimmungs- oder gar das gesamte Sorgerecht. Die Eltern werden vom Gericht verpflichtet, auch nach der Trennung gemeinsam für die Erziehung der Kinder einzustehen. Alle Entscheidungen zu Aufenthalts- und Umgangsregelungen werden nicht durch Urteil, sondern durch Vereinbarung der Eltern getroffen.
Welche Änderungen im Kindschaftsrecht wollen Sie unterstützen, damit in Zukunft bei Trennung der Eltern den Kindern beide Elternteile erhalten bleiben?
Jochen Simon
Sehr geehrter Herr Simon,
ideal und wünschenswert im Fall einer Trennung ist natürlich, dass sich beide Eltern nach einer Scheidung das Sorgerecht für das gemeinsame Kind teilen. Im Regelfall sieht auch das heute geltende Kindschaftsrecht die gemeinsame elterliche Sorge vor. Mit der auf Einigung zielenden Zusammenarbeit der mit dem Familienkonflikt befassten Personen wird hier bereits die gleiche Zielsetzung verfolgt wie bei dem von Ihnen angesprochenen Cochemer Modell. Allerdings bestand in einzelnen Punkten weiterer Handlungs- bzw. Ausgestaltungsbedarf. Dem hat sich die SPD-geführte Bundesregierung mit dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FFG-Reformgesetz) angenommen. Die Erfolgsaussichten des Entwurfs hängen jedoch vom Ausgang der Bundestagswahl ab. In dem Entwurf vom Juni 2005 hat das Bundesministerium der Justiz Elemente des Cochemer Modells übernommen:
* Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder seine Herausgabe betreffen, sind vom Familiengericht vorrangig durchzuführen;
* Der erste Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden;
* Das Gericht erörtert die Sache mit den Beteiligten und hört in diesem Termin auch das Jugendamt an;
* Das Gericht soll in diesem Termin und in jeder Lage des Verfahrens auf eine einvernehmliche Regelung hinwirken. Es weist auf Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstelle hin. In geeigneten Fällen soll es auf die Möglichkeit der Mediation oder der sonstigen außergerichtlichen Streitbeilegung hinweisen;
* Das Gericht kann, wenn keine Einigung erreicht wird, unanfechtbar anordnen, dass die Eltern an einer Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste der Träger der Jugendhilfe teilnehmen;
* Zugleich hat das Gericht mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern, um zu verhindern, dass Verfahrensverzögerungen für das Kindeswohl abträgliche Situationen herbeiführen oder sogar vollendete Tatsachen schaffen.
Eine Übernahme des Cochemer Modells in weiteren Punkten hat das Bundesministerium der Justiz mit dem Verweis auf Konstellationen, in denen ein konstruktives Miteinander der ehemaligen Partner nicht mehr möglich und die an die Eltern gerichtete Forderung nach Verständigung somit sinnlos ist, abgelehnt. Wenn die Betroffenen untereinander nicht zu einer Einigung in der Lage sind, ist eine gerichtliche Entscheidung erforderlich.
In der "Cochemer Praxis" hingegen werden nicht einigungsbereite Eltern notfalls unter Androhung von sorgerechtlichen Konsequenzen an das Jugendamt und die Beratungsstelle weitergeleitet. Ob der angedrohte Sorgerechtsverlust im jeweiligen Fall gesetzeskonform wäre, wird vom Richter zu diesem Zeitpunkt nicht geprüft. Problematisch ist die Androhung sorgerechtlicher Konsequenzen in diesem frühen Stadium auch in anderer Hinsicht. Gemäß § 52a Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG), der als Sanktionsmöglichkeiten in ähnlicher Weise auch in dem FGG Reformgesetz umgesetzt werden soll, weist das Gericht im Umgangsvermittlungsverfahren auf die Einschränkung oder den Entzug der elterlichen Sorge als Rechtsfolge einer Vereitelung oder Erschwerung des Umgangs hin. Dieses Verfahren setzt voraus, dass bereits eine gerichtliche Entscheidung über den Umgang vorliegt.
Generell geht der Gesetzgeber schon jetzt davon aus, dass zum Wohl des Kindes grundsätzlich der Umgang mit beiden Eltern gehört. Dies ist für den das Umgangsrecht begehrenden Elternteil vorteilhaft, da er nicht darzulegen hat, dass sein Umgang dem Wohl des Kindes dient. Im Gegenteil: Der Umgang kann nur ausgeschlossen oder ausgesetzt werden, wenn er dem Kindeswohl schadet. Wenn Eltern sich hinsichtlich des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind nicht einigen können, kann das Familiengericht gemäß § 1684 Abs. 3 BGB über Art, Dauer und Häufigkeit des Umgangs entscheiden. Aus der vom Gericht getroffenen Regelung muss deutlich werden, welche Rechte und Pflichten jeder Umgangsbeteiligte hat. Wenn der betreuende Elternteil den Umgang verweigert, kann die Umgangsregelung auf Antrag des anderen Elternteils vollstreckt werden.
Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hat sich auch der von Ihnen angesprochenen Problematik der Umgangsverweigerung, der mangelhaften Effektivität der Vollstreckung bzw. der hierzu fehlenden Instrumente angenommen. Er sieht hier vor, dass zukünftig zur zwangsweisen Durchsetzung von Herausgabe- und Umgangsanordnungen im Regelfall ein Ordnungsgeld (in Höhe von maximal 25.000 Euro) und im Falle mangelnder Erfolgsaussicht Ordnungshaft anzuordnen ist. Damit soll die Vollstreckung effektiver werden. Anders als Zwangsmittel dienen Ordnungsmittel nicht ausschließlich der Einwirkung auf den Willen der pflichtigen Person, sondern haben daneben Sanktionscharakter. Deshalb können sie auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr vorgenommen werden kann. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels soll nach dem Entwurf nur dann unterbleiben, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Er hat die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Vollstreckung darstellen, im Einzelnen darzutun. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommen ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder eine nachträgliche Aufhebung nicht in Betracht. Beruft sich ein Elternteil auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, muss er darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt hat und alles in seiner Macht stehende getan hat, um das Kind zum Umgang zu bewegen.
Alle Verbesserungsbemühungen des Gesetzgebers sind jedoch von der Einsicht getragen, dass keine noch so gute gesetzliche Regelung eine am Wohl des Kindes orientierte einvernehmliche Regelung beider Elternteile ersetzen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol, MdB