Frage an Sören Bartol von Thomas G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Bartol ,
seit nunmehr einem Jahr wird die internationale Finanzwelt von einer Krise heimgesucht, deren Ende nicht in Sicht scheint. Es drängt sich mir auf Grund intensivster Beobachtungen die Erkenntnis auf, dass diese Krise unmittelbar mit unserem Finanzsystem und unserer Wirtschaftspolitik zusammenhängt.
Insbesondere eine Plausibilität einer auf exponentiellem Wachstum fußenden Finanzpolitik, bei welcher eine innewohnende Deflation stets durch eine gezielte Inflation der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgeglichen werden muss, scheint mir nicht vorhanden zu sein. Die EZB spricht dabei von Preisniveaustabilität, wenn real eine Inflation von 1-2% angestrebt wird.
Es wäre darüber hinaus ebenso interessant zu erfahren, ob und wie Sie und Ihre politische Bewegung die Schuldenproblematik der Geldentstehung ausschließlich durch Kredit betrachten und welche Gegenmaßnahmen Sie zur kommenden Deflationskrise, der ich sehr besorgt gegenüberstehe, als geeignet erachten.
Desweiteren stellt sich mir konsequenterweise die Frage, wie ein Finanzsystem, das einem Kettenbrief gleichkommt, überhaupt irgendeine rechtliche Legitimation besitzen kann und man sich an einem ständigen Wachstumszwang zur Zinsbedienung orientiert, der auf Grund der menschlichen Eigenschaft, nicht mehr und mehr bis ins Unendliche leisten zu können, vollkommen unmöglich ist und ganz zwangsläufig irgendwann in einer Krise enden muss.
Ich bitte Sie ausdrücklich um eine klare Stellungnahme Ihrerseits, sowie ob meiner dringenden Befürchtung einer nahenden desolaten Wirtschaftskrise einer Klärung der genannten Sachverhältnisse in einem Ausschuss ihrer Fraktion, in der diese Dinge klar und deutlich zur Sprache kommen und diskutiert werden können.
Vielen Dank.
Hochachtungsvoll,
Güthler Thomas
Sehr geehrter Herr Güthler,
haben Sie vielen Dank für Ihre Mail, die Sie ja schon einmal kurz vorher direkt an mein Büro gesandt haben.
Auch ich bin über die Krise der Finanzwelt sehr besorgt. Hier scheinen mir elementare Prinzipien einer verantwortbaren Geschäftspolitik ignoriert worden zu sein. Ob das unmittelbar mit unserer Wirtschaftspolitik zusammenhängt, oder nicht doch eher mit den unzulänglichen Eigenschaften von Menschen in verantwortlichen Funktionen lässt sich streitig verhandeln, aber sich nicht abschließend entscheiden.
Sie kritisieren die auf Wachstum angelegten Grundüberlegungen der Finanzpolitik. Sicherlich kann man ganz allgemein abstrakt auch andere Grundannahmen als Basis verwenden. Aber spricht nicht viel für solche Überlegungen wenn man betrachtet, dass global die Nachfrage nach allen möglichen Rohstoffen, Produkten und Dienstleistungen einer ständigen Steigerung unterliegen muss, da eine immer größere Zahl an Menschen einen stetig gesteigerten Lebensstandard anstreben, was zwangsläufig zu einer international steigenden Preisstruktur führt. Hier betrachte ich ein Ziel von 1 bis 2 % Preissteigerungsrate tatsächlich als stabile Verhältnisse.
Sie sehen die drohende Gefahr einer Deflationskrise, ohne dass Sie dabei diese Gefahr auf einzelne Teilbereiche einschränken, in dieser umfassenden Form kann ich Ihre Bewertung nicht teilen. Ich sehe durchaus die Gefahr einer Deflationskrise für die Immobilien in den USA, für Teile der Aktien oder für Bankaktien im speziellen, aber ich sehe sie nicht im Allgemeinen: Gerade zur zeit wird bei den Tarifabschlüssen der "Nachholbedarf" der ArbeitnehmerInnen thematisiert und abgearbeitet. Damit wird die Geldmenge für Konsumzwecke erhöht, und das bei aktuell ungebrochener Kaufnachfrage und Investitionsbereitschaft. Und auch das Finanzverhalten des Staates lässt keine Deflation befürchten: Ein auf Sparsamkeit abzielender Haushalt, der verbesserte Einnahmen nicht durch erhöhte Ausgaben aufzehren lassen will, der aber die staatlichen Leistungen und Investitionen nicht zurückfährt gibt keinen Anlass eine Deflation zu befürchten.
Mit dieser Einschätzung teile ich natürlich auch nicht Ihre aus der Erwartung der Deflationskrise gefolgerten Problemlagen. Dennoch hoffe ich, ihnen mit meiner Antwort gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol, MdB